Als «einen handfesten Skandal» bezeichnete Grünen-Politiker Lindner die Tatsache, dass die Daten auf dem ehemaligen Diensthandy von Ursula von der Leyen gelöscht wurden. Nun stellt er Strafanzeige wegen Löschung beweiserheblicher Daten, deren Herausgabe durch das Verteidigungsministerium immer wieder verschleppt wurde.
Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen ist seit Dezember Präsidentin der Europäischen Kommission in Brüssel. In Berlin findet seit Februar ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss statt, der offene Fragen in der Berateraffäre klären soll. Damals war die Politikerin noch als Verteidigungsministerin in Berlin und somit Verantwortliche in der Affäre um die Verschwendung von hunderten Millionen aus dem Verteidigungshaushalt, die für externe Berater ausgegeben wurden.
Vorwürfe wie unkorrekte Auftragsvergabe, Steuergeldverschwendung und Miß- und Vetternwirtschaft stehen hier im Raum. Es wurden an externe Unternehmensberater, unter anderem an McKinsey and Company, hochdotierte Verträge vergeben. Dabei will man die Rolle der ehemaligen Verteidigungsministerin klären, also inwieweit Ursula von der Leyen über die Vorgänge informiert war. Im Fokus steht dabei auch ihre damalige Staatssekretärin Katrin Suder.
Der seit Februar ermittelnde Untersuchungsausschuss im Bundestag hat nach Angaben der Internetseite des Deutschen Bundestages den Auftrag, den Umgang mit externer Beratung und Unterstützung der Bundesregierung im Geschäftsbereich des BMVg seit Beginn der 18. Wahlperiode bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses unter vertraglichen, rechtlichen, haushälterischen, geheimschutzrelevanten, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten zu untersuchen sowie die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten der Leitungsebene und die Aufklärungs- und Informationspraxis des Bundesministeriums der Verteidigung zu diesem Vorgang zu überprüfen-
Um diese Vorwürfe im Untersuchungsausschuss zu klären, sollten gelöschten die Handy-Daten darüber unter anderem Aufschluss geben. Das Verteidigungsministerium bestätigte die Löschung unter Berufung auf Sicherheitserwägungen.
Allerdings sollten diese Daten «sowie sämtlicher Akte, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel»für den Untersuchungsausschuss zugänglich gemacht werden.
Ein handfester Skandal
Grünen-Politiker Tobias Lindner stellte nun im Rahmen dieses Untersuchungsausschusses Strafanzeige wegen der Löschung beweiserheblicher Daten. Paragraf 274 des Strafgesetzbuches verbietet unter anderem die Urkundenunterdrückung, worunter auch beweiserhebliche Daten ( auch Handy-Daten) fallen, die jemand «löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert». Für ihn ist dieser Vorgang ein handfester Skandal.
«Das Löschen eines Handys, ohne es zuvor auf mögliche Beweismittel auszuwerten, hat nichts mehr mit dem normalen Fingerhakeln zwischen Bundesregierung und einem Untersuchungsausschuss zu tun, hier geht es um einen handfesten Skandal», sagte der Abgeordnete dem «Spiegel».
Die Herausgabe der Verbindungsdaten auf ihrem Diensthandy wurde nach Medienberichten verlangt und man beantragte, das Telefon als Beweismittel einzustufen. Immer wieder verschleppte das Verteidigungsministerium die Herausgabe und bestätigte vor Kurzem die Löschung der Daten.
Inwieweit die amtierende Chefin der EU-Kommission einen politischen Schaden davon tragen wird, bleibt abzuwarten. Ebenso wohin die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nach Lindners Anzeige führen werden. Allerdings hat die Geschichte bereits jetzt einen komischen Beigeschmack.
Ihr Wechsel nach Brüssel kam ziemlich überraschend und weckte den Anschein, dass ihre Partei sie damit aus der Schusslinie bringen wollte. Die Vergabepraxis an externe Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfer und Anwaltskanzleien aus dem anglo-amerikanischen Raum durch Ministerien wird seit mehreren Jahren kontrovers diskutiert. Die Ministerien berufen sich hierbei immer auf die mangelnde Expertise ihrer Beamten und Mitarbeiter.