Am 4. Dezember wies das Auswärtige Amt in Berlin zwei russische Diplomaten aus, weil Russland aus deutscher Sicht nicht angemessen bei der Aufklärung des sogenannten Tiergarten-Mordes kooperierte. Ein offizielles Rechtshilfegesuch seitens Berlin an Moskau wurde allerdings erst am 6. Dezember gestellt.
Antwort des Innenministeriums auf eine mündliche Anfrage der Linksfraktion im Bundestag
Das geht aus einer Antwort auf eine mündliche Frage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen (Die Linke) in der 136. Sitzung des Deutschen Bundestages hervor, das sich auf das Rechtshilfeersuchen an die russische Regierung im Rahmen der Ermittlungen zum Mord an einem Georgier in Berlin im August 2019 bezieht.
Der stenografische Bericht der 136. Sitzung im Deutschen Bundestag wurde als PDF-Dokument veröffentlicht. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Stefan Meyer beantworte die Frage dahingehend, «dass das erste justizielle Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Berlin am 6. Dezember 2019 und das zweite am 10. Dezember 2019 an die Ge-neralstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation übersandt worden ist.»
Heißt im Klartext: Die Staatsanwaltschaft Berlin erst zwei Tage nach der Ausweisung der russischen Diplomaten offiziell in Moskau an. Interessant wäre hier auch zu wissen, warum nicht gleich die Generalbundesanwaltschaft um Rechtshilfe bat, die als oberste Anklagebehörde der Bundesrepublik Deutschland inzwischen die Ermittlungen — wegen des Verdachtes, russische oder tschetschenische Behörden haben den Mord in Auftrag gegeben, aufgenommen hat.
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Dennoch bleibe man dabei, dass «die russischen Behörden bei der Aufklärung des Mordfalls aus Sicht der Bundesregierung bislang nur schleppend reagiert und unzureichend kooperiert haben. Insgesamt hatte es zwischen Ende August und November 2019 über ein Dutzend Kontaktaufnahmen deutscher Behörden zu russischen Stellen mit Fragen zum Tötungsdelikt im Kleinen Tiergarten gegeben (…)Einige dieser Anfragen der deutschen Behörden sind bislang unbeantwortet geblieben, andere wurden nur mit großer Verzögerung oder wenig plausibel beantwortet. In der Gesamtschau ist die Bundesregierung insofern zu der von Ihnen hinterfragten Bewertung gekommen», geht weiter aus der Antwort hervor.
Unter anderem habe das Bundeskriminalamt, das inzwischen die Ermittlungen in der Mordsache aufgenommen und zahlreiche Anfragen an russische Behörden blieben unbeantwortet. Details und konkrete Daten wurden hierbei nicht genannt, was für die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, die staatliche russische Stellen beschuldigt den Mord an den Georgier in Auftrag gegeben zu haben, nicht hilfreich.
Für Politikerin Dağdelen von der Linksfraktion ist das Verhalten der Bundesregierung skandalös und die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung erschüttert.
«Die Bundesregierung hat gegenüber der Öffentlichkeit als Grund für die Ausweisung den Eindruck erweckt, dass die russische Justiz nicht adäquat kooperiere. Es erschüttert nun die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, dass deutsche Behörden erst Monate nach dem Mord und sogar auch noch nach der Ausweisung der russischen Diplomaten offizielle Rechtshilfeersuchen an die russische Seite stellen», sagte sie in einem Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Sender ARD.
«Es ist bemerkenswert, dass die Bundesregierung hier vor allem auf eine funktionierende Kooperation von deutschem und russischen Geheimdiensten hoffte, statt umgehend den offiziellen Weg der Rechtshilfe zu gehen», fügte sie hinzu.
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Als es vor zwei Wochen von russischer Seite bekannt gegeben wurde, dass man mehrfach um die Auslieferung des getöteten Georgiers bat, wurde ein offizielles Auslieferungsgesuch dementiert. Präsident Wladimir Putin wurde sogar vorgeworfen diesbezüglich die Unwahrheit gesagt zu haben. Insbesondere am letzten Donnerstag auf seiner jährlichen Pressekonferenz, als er einräumte, dass man man auf Geheimdienstebene und nicht auf Ministerebene kommuniziert habe, fühlten sich Deutsche Medien bestätigt.
Putin hat die Weltöffentlichkeit angelogen, lautete der Tenor. So titelt beispielsweise das öffentlich-rechtliche Nachrichtenportal Tagesschau ihren Beitrag «Putin gibt falsche Aussage zu», denn er habe «eingeräumt, dass es nie ein offizielles Auslieferungsgesuch gegeben hat».
Eine Woche zuvor bekräftige noch Außenminister Heiko Maas (SPD), dass Russland kein Auslieferungsgesuch an Deutschland gestellt hätte. Zuvor wurde ein solches Gesuch auf der der Bundespressekonferenz dementiert.
Zugleich reagierte die Bundesregierung mit Unverständnis auf die Ausweisung zweier deutscher Diplomaten aus Russland, die eine symmetrische Reaktion auf das Verhalten Berlins darstellte.
Khangoshvili wurde am 23. August im Berliner Tiergarten mit zwei Schüssen einer aus naher Distanz mit zwei Schüssen in den Kopf getötet. Tatwaffe war eine 9-mm-Pistole Glock 26 mit Schalldämpfer. Eine Ermordung dieser Art ist typisch für Morde im Milieu der osteuropäischen Mafia (sogenannte Russen-Mafia).
Der mutmaßliche Täter aus Russland wurde kurze Zeit später ausfindig gemacht. Er hatte 3.700 Euro Bargeld bei sich. Die Waffe wurde allerdings nicht gefunden. Er schweigt zu den Vorwürfen und befindet sich in U-Haft. Russland bestreitet jegliche Beteiligung an dem Berliner Tiergarten-Mord.