Nach Zusage von General Haftar an der Berlin-Konferenz: Deutschlands schwierige Vermittlerrolle im Libyen-Krieg

Der Krieg in Libyen war Thema beim Treffen zwischen Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela am vergangenen Wochenende in Moskau, von wo aus sie zur Berliner Libyen-Konferenz am 19. Januar eingeladen hat. Gestern war der libyische Generalfeldmarschall Khalifa Haftar in Moskau nicht bereit ein Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen, sagte gleichwohl aber seine Teilnahme in Berlin zu. Während Haftar seine Forderungen gestern deutlich machte, wird es in Berlin auch nicht leichter sein einen Konsens zu finden.

Haftar wird in Berlin an der internationalen Konferenz teilnehmen.

Primäres Ziel: Ende der Gewalt

Warum ausgerechnet für die deutsche Bundesregierung um Kanzlerin Merkel der Frieden in Libyen auf dem Herzen liegt liegt auf der Hand. Seit dem Stürz von Oberst Muammar al-Gaddafi 2011 und den daraus resultierenden Bürgerkrieg wird Europa von einer nie zuvor dagewesenen Flüchtlingswelle heimgesucht, die 2015 ihren Höhepunkt erreichte und bis heute die Gemüter besonders in Deutschland spaltet. «Seenotrettung» oder «Schlepperei»? «Flüchtlinge» oder «Invasoren»? Haftar oder Fayez al-Sarraj? All diese Fragen bewegen Deutschland, das Land, welches sich aus dem Angriff auf Libyen weitestgehend zurückhielt, trägt sowohl finanziell als auch humanitär die Hauptlast. Deswegen sollte der andauernde Bürgerkrieg, der offiziell seit 2014 andauert schleunigst beendet werden.

Doch das ist nicht so einfach, wenngleich auf den ersten Blick nur zwei Parteien gegeneinander Kämpfen. Generalfeldmarschall Khalifa Haftar, der mit seinen Truppen der Libyschen Nationalarmee kurz vor der Eroberung von Tripolis steht, wo die international anerkannte Regierung des Nationalen Abkommens versucht, die Stadt mit allen Mitteln zu halten. De facto haben hier die Haftar-Truppen längst die Oberhand gewonnen und der 77-jährige General will die alleinige Macht in Libyen. Wenn es so einfach wäre, hätte Tripolis spätestens gestern in Moskau kapitulieren können. Ob sie dazu am Sonnatag bereit sind, ist fraglich.

Internationaler Einfluss

Nimmt man den Konflikt etwas näher unter die Lupe, so erkennt man schnell, dass es gar nicht so einfach ist, zu erkennen, wer international die meiste Unterstützung erhält. Die beiden verfeindeten Parteien, um die es in erster Linie geht, werden von verschiedenen Ländern unterstützt. Teilweise unterstützt ein fremdes Land beide Parteien gleichzeitig. Die GNA-Regierung in Tripolis wird offiziell von Deutschland, Frankreich, der Türkei, Italien, der Türkei und den USA unterstützt. Deutschland allen voran mit finanziellen Mitteln. Auch Katar, der Sudan und die Internationale Muslimbruderschaft halten zu Tripolis. Ebenso die Ukraine, die dort am Waffenverkauf interessiert sind, gleichwohl aber auch in Richtung LNA schielen.

Deutschland sucht aber gleichzeitig den Dialog zu Haftar, weil seine Truppen fast das ganze Küstengebiet kontrollieren, von wo aus sich Flüchtlinge aus ganz Afrika mit einem Schlauchboot auf den Weg nach Europa machen. Ebenso Frankreich, die 2011 als treibende Kraft den Angriff auf Libyen vollzogen haben, weswegen Libyen ein Zankapfel zwischen Paris und Berlin ist. Frankreich hat vor allem ein Interesse an den Ölressourcen in Tripolis.

Als wichtigster Unterstützer der Armee um den libyschen Generalfeldmarschall gilt neben Saudi-Arabien, Ägypten auch Russland, weswegen Haftar schon im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» als «Putins Wüstenfuchs» bezeichnet wurde. Angeblich kämpfen auch Milizen der russischen Söldnertruppe um PMC Wagner an der Seite der LNA-Truppen. Auch die Tatsache, dass Haftar öfters in Moskau in den letzten Jahren gesehen wurde, wo Haftar als junger Soldat drei Jahre an der renommierten Frunse-Militärakademie studieren durfte, sind Argumente für das Hamburger Wochenblatt, dass Haftar die Interessen Moskaus durchsetzen wird.

General Haftar: CIA-Agent oder «Putins Wüstenfuchs»

Wie wir wissen, hielt sich Russland bei der militärischen Intervention in Libyen 2011 zurück. Als Gaddafi letztlich gestützt wurde tobte man in Moskau, weil man über die Jahre hinweg sehr gute Beziehungen in Tripolis pflegte. Haftar sicherte Moskau immer wieder zu, dass im Falle seiner Regentschaft diese Beziehungen wieder aufgebaut werden sollen, wenn nicht sogar verbessert. Russland will also letztlich seine partnerschaftlichen Beziehungen wiederhergestellt haben, Aber auch die USA unterstützen Haftar und Präsident Donald Trump lobte den Wüstenfuchs für seinen Kampf gegen den in Russland verbotenen Islamsischen Staat, der mit verschiedenen Gruppierungen die dritte Kriegspartei im Bürgerkrieg darstellt, allerdings von LNA und GNA gleichzeitig auf bekämpft wird.

Doch wer Haftar ausschließlich Moskau zurechnen will, darf nicht unerwähnt lassen, dass der gesetzte General beim Gaddafi-Sturz 2011 mitwirkte und spätestens seit den 1980er Jahren als CIA-Agent gilt. der in Libyen nach gescheiterten Revolten zum Tode verurteilt wurde. Als Gaddafi 1969 begann den libyschen König Idriss zu putschen, kämpfte der erfahrende General als junger Offizier noch auf Seiten der Militärputschisten, die bis 1979 das Königreich Libyen unblutig stürzten. Wer einen Blick auf die Vita von Haftar wirft, dürfte also eher von einem General ausgehen, den man genauso gut Washington zuschreiben kann.

Trotz einer Hillary Clinton als Außenministerin, die später mit der Tötung Gaddafis prahlte, dürften eher Europa und die Arabische Welt die Situation in Libyen geprägt haben. Der Sturz Gaddafis lag vor allem im Interesse des französischen Präsidenten Nicholas Sarkozy, der sich wenige Jahre zuvor seinen Wahlkampf aus dem reichen Tripolis mitfinanzieren ließ. An den Folgen dieser Außenpolitik hat der heutige Präsident Emmanuel Macron noch zu kämpfen.

Fluch und Segen zugleich — Deutschlands Passivität beim Gaddafi-Sturz

Denn aus der versprochenen Demokratie in Libyen entstand erst ein Scherbenhaufen, der schließlich in jenen Bürgerkrieg mündete, den man in Berlin auf einer Internationalen Konferenz lösen will. Deutschlands Passivität im NATO-Konflikt von 2011 ist als Vermittler heute Fluch und Segen zugleich.

Einerseits zeigte Deutschland Stärke, indem man zeigte, dass man sich nicht an allen internationalen Missionen beteiligen will, die von den Westmächten USA, Frankreich und Großbriannien vorangetrieben wird. Andererseits wird das Verhalten genau von diesen Ländern als Schwäche Deutschlands angesehen, die zwar politisch hinter jeder Militäraktion ihrer Bündnispartner mehr oder weniger stehen, aber militärisch harmlos agieren.

Da sich seit Samstag eine Verbesserung der zwischen Berlin und Moskau abzeichnet und auch Frankreich unter Präsident Macron Russland immer mehr als Partner und immer weniger Gegner betrachtet wird, könnte Deutschland als Vermittler der unterschiedlichen Interessen punkten. Deutschland pflegte bereits unter Gaddafis sowie unter dem libyschen König gute Beziehungen zur arabischen Welt, so auch zu Libyen.

Ein Libyen unter Haftar würde die Beziehungen zu Libyen nicht verschlechtern, sondern nur die Gesamtlage stabilisieren. Umso mehr dürfte Berlin sich eher sorgen darum machen, wie die Interessenskollisionen zwischen Russland und der Türkei aus der Welt geschaffen werden können, ohne dabei gleichzeitig die Beziehungen zu beiden Ländern zu verschlechtern. Zudem wird es für Berlin schwierig sein die Position gegenüber Großbritannien oder Frankreich zu stärken. Jedenfalls würde das eher zu einem Waffenstillstand führen, als wenn man nach einer «europäischen Lösung» suchen will.

Eine solche Lösung ist alleine schon deswegen nicht gerechtfertigt, weil auch die arabische Welt als regionaler Machtfaktor mit in diesen Prozess einbezogen werden muss. Hier sollte die Interessen der Nachbarstaaten und der Arabischen Liga auch vorrangig vor den doppelzüngigen US-Interessen liegen.