Der Westen greift nach Belarus — der angeblich letzten Diaktatur in Europa — auf einmal sind wieder Demokratie und Menschenrechte auch jenseits der Hemnisphäre zu schützen. Dabei greift man wieder zu altbewährten und gleichzeitig auch zeitgemäßen Mitteln zurück. Nachdem vor etwa genau einem Jahr die Proteste bei er Kommunalwahl in Moskau abflachten, scheint Minsk jeden Tag nach der Wahl einen Höhepunkt zu erreichen.
Spätestens jetzt müsste es jedem kritischen Leser im Westen, speziell in Deutschland, ein Licht aufgehen. Oder anders: Er dürfte sich an den jüngsten Proteste und Revolutionen im postsowetischen Raum erinnert fühlen, wenn er sich vor allem in Deutschland überhaupt noch damit beschäftigen kann. Denn auch im Vorzeigeland des modernen Westens ist vieles nicht erst seit der Corona-Pademie nicht immer so, wie alles scheint. Zumindest nicht auf den ersten Blick, aber darum soll es jetzt nicht gehen.
Vielmehr soll es um Minsk gehen, wo sich offenkundig Berlin nebst Brüssel eine neue Regierung wünschen. Zumindest wird die Wiederwahl von Alexander Lukaschenko, er erreichte über 80 Prozent der Stimmen, nicht akzeptiert. Seitdem wird das ganze Land von Protesten heimgesucht im Zuge dessen im Westen auf die Polizeigewalt gegen die Demonstranten eingegangen wird. Sanktionen gegen Einzelpersonen aus Belarus wurden schon verhängt und man erklärt sich im Westen, also in Westeuropa, bereit, die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, zu unterstützen.
Diese erreichte immerhin einen Achtungserfolg von über zehn Prozent und ist somit Favoritin für die Nachfolge vom vermeintlichen «Machthaber» Lukaschenko, den man scheinbar jetzt mit allen Mitteln vom Thron stoßen will. Und das nur wegen Polizeigewalt, Menschenrechtsverletzungen und Demokratieversprechen?
Oder gibt es noch andere Interessen? Das staatliche ARD dementierte anfang dieser Woche die Behauptungen aus Russland, zumindest deren deutschsprachige Medien, dass in Minsk ein «neuer Maidan» im Gange sei. Richtig ist, der Maidanplatz befindet sich in Kiew und jeder westlich-gesteuerte Putschversuch verläuft immer ein wenig anders, so dass ARD-Journalisten immer einen Anknüpfungspunkt haben, um eine deutliche und beinahe auf den Punkt gebrachte Sichtweise im Sinne ihrer Stakeholder zu diskreditieren. Fakten finden sich immer für den Faktenfinder. Und wer Fakten findet, der kann beim Faktenfinder auch gerne mal Fakten auslassen.
Da man ja bestreiten will, dass sich in Belarus eine Farbrevolution oder ein Putschversuch stattfinden soll, wissen wir ja bereits aus den westlichen Medien. Denn schließlich bestreitet man teilweise gerne bis heute, dass man im Jahre 2014 die Ukraine auf Westkurs bringen will und es damals auf dem Kiewer Maidan-Platz wirklich um Menschenrechte wie Freiheit und Gleichheit geht, die angeblich bis dato von — und jetzt wird es wichtig — Moskau aus gesteuert wird. Immerhin kommt man nicht daran vorbei es zumindest zuzugeben, dass in der westlichen Ukraine sich kaum etwas an der Situation verbessert hat. Aber zurück zu Minsk und Moskau.
Nachdem sich das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew über die Jahre hinweg massiv verschlechtert hat, haben sich währenddessen die russisch-belarussischen Beziehungen deutlich verbessert. Glaubt man den ARD-Faktenfindern, soll sich daran auch nichts ändern. Schaut man sich die Vorschläge der Opposition an, so erinnert das an vieles, was sich in der Ukraine entwickelt hat. Denn ihr Programm verlangt eine umfassende Angleichung an Westeuropa.
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Lukaschenko nannte in der gestrigen Sitzung des Sicherheitsrates das Programm der Opposition eine «Machtergreifung». Nicht nur, dass die Oppositionskandidatin mit knapp 10 Prozent der Stimmen die Macht für sich in Anspruch nimmt, sondern es werden viele Punkte genannt, die an die letzten Jahre auch Kiew umgesetzt hat.
Belarus soll laut Oppositionsprogramm aus den Unionsstaat mit Russland austreten, sein Militär auf NATO-Kurs bringen, die belarussische Sprache etablieren, die Massenmedien privatisieren und eine eigenständige orthodoxe Kirche in Belarus zulassen. News Front berichtete am Morgen bereits über das Programm, welches Lukaschenko verworfen hat. Und solange Lukaschenko nicht bereit ist, diese vom Westen geforderten Punkte umzusetzen, wird sein Image als «letzter Dikator in Europa» weiter von den Massenmedien verbreitet.
«In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt», sagte 2013 der inzwischen verstorbene SPD-Politiker Egon Bahr vor Schülern. Dieser Merksatz lässt sich auch ohne weiteres auf die aktuelle Berichterstattung über Belarus oder die Ukraine seit 2014 übertragen, wo das Zitat des erfahrenden Ost-West-Politikers viel Beachtung gefunden hat.
Von Christian Bärenfänger, speziell für News Front.