Seit Beginn der Corona-Pandemie kommt es bundesweit in Deutschland zu Demonstrationen und Protesten. Aus aktueller Sicht der Verfassungsschützer ein Grund zur Besorgnis, wie unter anderem die Leiter der Landesämter Saarland und Thüringen bekannt gaben.
Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker
Im Saarland wurde am vergangenen Freitag der «Lageberichts Verfassungsschutz 2019» vom Leiter der Behörde, Helmut Albert, zusammen mit dem saarländischen Innenminister, Klaus Bouillon (CDU), vorgestellt. Große Sorge bereiten dem hochrangigen Beamten die wachsende Anzahl von Verschwörungstheorie-Anhängern, die sich in sozialen Medien und Internetforen vernetzen und kommunizieren.
Darin sieht er die steigende Gefahr von Einzeltäter, die Anschläge oder andere politisch motivierte Straftaten begehen könnten. Allerdings wird der Begriff in den Medien von Politikern und Journalisten immer gerne dann verwendet, wenn es darum geht, eine politisch unverwünschte Sicht zu diskreditieren. Nicht selten wird gleichzeitig auch der Vorwurf des Rechtsextremismus erhoben, um einen sachlich fairen politischen Diskurs zu ermöglichen.
Sein Innenminister und Vorgesetzer Bouillon wünscht daher eine Ausweitung der polizeilichen Befugnisse im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung, um präventiv und repressiv gegen Straftaten vorzugehen. Namentlich nannte er den Messenger-Dienst WhatsApp, der besser überwacht werden soll.
Corona-Protest-Bewegung
Die Protest-Bewegung, die im Zuge der Corona-Pandemie sich gebildet hat, ist oftmals Anlaufpunk von politischen Extremisten, die ihre Ideologien und Verschwörungstheorien in die Protestbewegung tragen. Eine ähnliche Auffassung teilte sein thüringischer Amtskollege, Stephan Kramer, dem Wochenmagazin und Nachrichtenportal Focus mit.
„Die Strategie von Rechtsextremisten ist sehr unterschiedlich und vielfältig. Manchmal treten behördenbekannte Rechtsextremisten als Anmelder auf, in anderen Fällen mobilisieren sie zur Teilnahme“, so Kramer. Den sogenannten„Rechten“ sei es, ganz allgemein Misstrauen und Unruhe zu stiften und „vor allem ein Klima der Angst zu erzeugen“, sagte er weiter.
Der Thüringer VS-Chef gibt sich freilich optimistisch, „dass es den Rechtsextremisten nicht gelingen kann, auf diese Art und Weise maßgeblich an Einfluss und Sympathie zu gewinnen. (…) Niemand kann jedoch exakt vorhersagen, wie sich die Corona-Pandemie entwickelt, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt weiter entwickeln werden», schloss er.
«So viele hatten wir noch nicht!»
Sein Amtskollege Albert ist hingegen pessimistischer und sagte in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk, dass rechtsradikales Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, also salonfähig beziehungsweise — wie der Lokalsender schrieb — konsensfähig geworden ist.
Das ist nach seiner Auffassung nach eine bislang einmalige Situation im kleinsten Flächenstaat der Bundesrepublik Deutschland, dem Saarland. Auch die Anzahl politisch motivierter Straftaten im rechten Politspektrum sei nach Angaben des Innenministeriums angestiegen. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 260 rechtsextremistisch motivierte Straftaten verzeichnet.
«So viele hatten wir noch nicht», sagte der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium, Helmut Albert, am Freitag in Saarbrücken.
Im 2018 waren es demnach noch 215 registrierte Straftaten. wobei 85 Prozent der Taten seien Propagandadelikte und Volksverhetzung gewesen. Das sogenannte Personenpotenzial im Bereich Rechtsextremismus liegt dem «Lagebild Verfassungsschutz 2019» zufolge bei 330 und umfasst damit 20 Menschen mehr als im Jahr zuvor.
Islamisten, Linksextremisten und Spione
Der Lagebericht warnt aber auch vor dem Anstieg von Islamisten: 380 Personen werden diesem Spektrum zugeordnet, etwa 20 mehr als im Jahr davor. Der «Lagebericht Verfassungschutz 2019» geht zudem auf den politischen Linksextremismus ein, auf ausländischen politischen Extremismus wie beispielsweise die kurdische Widerstandsbewegung PKK, die kürzlich in Deutschland verbotene libanesische Hisbollah, den Grauen Wölfen aus der Türkei und anderen Gruppierungen des politischen Extremismus ein.
Zudem wird im öffentlich zugänglichen Bericht auch vor Spionage und Cyberattacken gewarnt, wobei China, Russland und der Iran als Beispiele genannt werden. «Die zur Durchführung der Angriffe erforderliche Infrastrukturen, die Qualität und die Zielrichtung deuten in den meisten Fällen auf eine chinesische, russische oder iranische Urheberschaft hin», schreibt der saarländische Verfassungschutz in seinem 112-Seiten Lagebericht. Konkrete Beweise gegen Russland werden allerdings nicht angeführt, so dass es bei den üblichen Verdächtigungen bleibt, die in ähnlicher Form seit Jahrzehnten in solchen Berichten erhoben werden.