Berliner Doppelmoral: Friedliche Corona-Demonstrationen verbieten und gewaltsame Proteste in Minsk beklatschen und beflügeln

Am 01. August fand in Berlin eine riesige Demonstration gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie statt, über deren tatsächliche Teilnehmerzahl bis heute noch gestritten wird. Damit sich so etwas nicht noch einmal wiederholt verhängte die Stadt ein Demonstrationsverbot unter Androhung von massiver Polizeigewalt, die man derzeit in Minsk und anderen Städten in Belarus kritisiert, während man die Opposition bejubelt, die aus ihrer Sicht für «Freiheit und Demokratie» auf die Straße gehen.

Um Freiheit und Demokratie ging es auch in Berlin am 01. August als Menschenmassen gegen die harten Einschränkungen und Pflichten im Zuge der Pandemie auf die Straße gingen, also knapp eine Woche als die Proteste in Belarus aufflammten, News Front berichtete.  Während man in Minsk die Zahl der Demonstranten gerne großzügig beziffert, will man in Berlin offiziell nur bis zu 20.000 Menschen gezählt haben, obgleich Oppositionsmedien und die Veranstalter am «Tag der Freiheit» bis zu 1,2 Millionen Teilnehmer verkündeten. Ein alte Weisheit aus DDR-Zeiten in Ostberlin, wo man sowohl Westfernsehen als auch das östliche Format sehen konnte, die immer von den Zuschauern herangezogen wurde, wenn die Meldungen sich widersprochen haben, war immer zu sagen: Die Wahrheit liegt in der Mitte.

In der Mitte dürfte also auch die oben angesprochene umstrittene Teilnehmerzahl liegen, also bei deutlich über 20.000 und deutlich unter 1,2 Millionen Teilnehmern liegen. Beleidigt, diskreditiert und kritisiert wurden die Teilnehmer der Veranstaltung in Berlin von allen Seiten des politischen Mainstreams. SPD-Covorsitzende Saskia Esken beschimpfte die Demonstranten als «Covidioten» und das zwangsfinanzierte ARD-Portal Tageeschau hat gestern noch im Zuge eines kritischen Artikels die Teilnehmerzahl aufs Minimum reduziert und alles andere als «Falschbehauptung» abgetan. Die «Faktenfinder»  warnen im Artikel vor der angeblich dominanten Rolle des rechtsextremen Lagers auf den Anti-Corona-Demonstranten hervor und berufen sich dabei auf verlässliche Quellen.

«Wir sehen einen Trend, dass Extremisten, insbesondere Rechtsextremisten, das Demonstrationsgeschehen instrumentalisieren», sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Mai. Daten-Analysen zeigten bereits, wie Menschen über Telegram-Kanäle und das Thema Corona radikalisiert werden. Deswegen sollen solche Demonstranten auch besser überwacht werden und die Verfassungsschutzämter aus dem Saarland und Thüringen haben ebenfalls letzte Woche vor den bösen Demonstranten und Verschwörungstheoretikern gewarnt, die sich anscheinend bereits in der Mitte der Gesellschaft tummeln, wenn man den saarländischen Chef Helmut Albert fragt, der letzten Freitag den Lagebericht für das kleinste Bundesland in Deutschland vorgestellt hat.

Sein Vorgesetzter Klaus Bouillon von der Merkel-Partei CDU fordert deswegen auch, mehr staatliche Eingriffsmaßnahmen gesetzlich zugesichert zu bekommen. Mehr Überwachung, mehr Unterwanderung und mehr Zersetzung, sollen dabei helfen, Dissidenten in Deutschland zu bekämpfen und mundtot zu machen. Freiheits- und Menschenrechte spielen bei solchen Wünschen auch nur eine untergeordnete Rolle, wenn es darum geht eine kritische Opposition in die Schranken zu weisen.

Gleichzeitig kritisieren SPD, CDU, Grüne und die gekoppelten Leitmedien die Lage in Minsk, wo angeblich jene Rechte seit 1994 vom «Lukaschenko-Regime» mit Füßen getreten werden. Vor allem wieder seit Wiederwahl von Präsident Alexander Lukaschenko ist der kleine Binnenstadt wieder in den Fokus von Politik in Medien gerückt. Politiker aus den Reihen der vorhin genannten Parteien und ihr medialer Wurmfortsatz überbieten sich darin, das aus ihrer Sicht unliebsame Minsker Regime zu kritsieren, wo Polizei und KGB das Internet überwachen, die Behörden Demonstrationen verbieten und Spezialeinheiten mit Gewalt gegen Demonstranten.

Protestkultur in Belarus mit alter Flagge, die zwischen 1990 bis 1994/95 offizielle Flagge der ehemaligen Sowjetrepublik war.

Die oft gesehene Flagge in Weiß-Rot-Weiß ist ja auch keine «Nazi-Flagge» wie die Flagge des Deutschen Reiches, die man vereinzelt auf Demonstrationen sieht und gerne fotografiert werden, um zu zeigen, dass die aktuelle Protestbewegung fast nur aus Rechtsextremen bestehe. Die Tatsache, dass die alte Flagge von Belarus (1990-1994) bereits in der Zeit der Besatzung von NS-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs  bereits zwischen 1941-1944 schon einmal als offizielle Landesflagge genutzt wurde, wird dabei unter den Teppich gekehrt.

Sitzung des belarussischen Zentralrates im Lesesaal des nach ihm benannten Bibliotheksgebäudes Lenin. 1943-1944 Jahre.

Kommt es in Belarus am Wochenende wieder zu Massenveranstaltungen und Protesten, wo es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, weil eine Versammlung nicht zulässig ist, wird das Geheule westlicher Politiker und Journalisten wieder groß sein. Auch bei der Teilnehmerzahl wird man sich gerne überschätzen. Und die Tatsache, dass Nazis und Rechtsextreme bei Farbrevolutionen geduldet werden und gleichzeitig kleingeredet werden, ist im Westen nichts Neues. Und über Veranstaltungen, die unter offiziellen Flagge in Belarus derzeit ablaufen, dürfte man im Westen allenfalls einen diskreditierenden Bericht lesen.

Unterstützer des Präsidenten mit aktueller Flagge von Belarus, die sich von der Flagge der ehemaligen Sowjetrepublik nur darin unterscheidet, dass das Sowjetsymbol Hammer & Sichel fehlt.

Der Berliner Innensenator Geisel von der SPD, eine Partei, deren Empörung über Lukaschenko immer lauthals zum Ausdruck kommt, kündigte ein konsequentes Vorgehen der Polizei an, sollten sich dennoch große Menschenansammlungen bilden. „Ich bin nicht bereit ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird. Ich erwarte eine klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegenüber denjenigen, die unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit unser System verächtlich machen“, so der Innensenator, nachdem er angekündigt hat sämtliche Proteste in Berlin zu verbieten.

Begründet wurde das Verbot, wie News Front bereits berichtete, mit dem Infektionsschutz, da zahlreiche Teilnehmer in den vergangenen Wochen auf den Anti-Corona-Demos Hygiene- und Distanzregeln nicht eingehalten haben. Ob man Minsk eine solche Begründung durchgehen lassen würde? Eher nicht. Allerdings dürfte sich in Minsk keiner über einschränkende Maßnahmen im Zuge der Pandemie beschweren, weil Lukaschenko mit Belarus einen Sonderweg gegangen ist, der ohne zahlreiche Einschränkungen des Alltags bislang funktionierte.

Aber auch in Berlin nahm man es mit dem Infektionsschutz nicht so genau, als gewollte Proteste im Zuge der Black Lives Matter-Welle aus den USA in Berlin mit zahlreichen Teilnehmern ohne Abstand und ohne Maske gegen Polizeigewalt und Rassismus auf die Straße gingen. Man kann noch zahlreiche Beispiele über die Doppelstandards des Berliner Establishments aufzählen, um zu zeigen, dass ihre süßen Formulierungen über Demokratie, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit oder Pluralismus pure Heuchelei und Rattenfängerei ist.

Rechtsextreme und Nazis gibt es aus deren Sicht nur oder überwiegend in Deutschland, die Oppositionellen aus Kiew oder Minsk sind allenfalls Patrioten, die für Freiheit und Recht kämpfen, während in Deutschland jeder Abweichler Nazi-Keule verprügelt wird. Der ehemalige russlandkritische Korrespondent und Autor Boris Reitschuster schreibt im übrigen auf das Berliner Verbot folgendes auf Twitter:  Der ehemalige russlandkritische Spiegel-Korrespondent schreibt : «Man kann darüber streiten, wer die echten #Covidioten sind. Unbestreitbar dagegen: Alle, die jetzt über das Verbot von #b2908 jubeln, sind #Demokratidioten: Denn nur die können sich darüber freuen, dass Menschen, die eine andere Meinungen haben, die Grundrechte entzogen werden.»

 

Von Christian Bärenfänger, speziell für News Front.