Seit mehr als vier Wochen ist Alexey Nawalny das Thema, das die ohne schon erschütterten deutsch-russischen Beziehungen unter eine schwere Belastungsprobe stellt. Vor allem ist der politische Krimi um den russischen Dissidenten von Widersprüchen geprägt, die sich vor allem im westlichen Narrativ wiederfinden. Spätestens nachdem der russische Blogger glücklicherweise aus dem künstlichen Koma erwacht ist, widerspricht sich der Westen und zieht die Scheuklappen immer enger zu, anstatt sie zu öffnen.
Alles begann am Freitag, den 20. August, als die ersten Berichte über den kritischen Zustand des russischen Bloggers veröffentlicht wurden. Noch bevor der aus westlicher Sichtweise vermeintlich gefährlichste Kreml-Kritiker nach der Notlandung in das Omsker Krankenhaus eingeliefert wurde, stand der Vorwurf im Raum, der Kreml wollte Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok für immer zum Schweigen bringen. Schnell verbreiteten westliche Mainstream-Medien die Geschichte, dem russischen Dissidenten wurde das tödliche Nervengift in seinen Tee gekippt, den er kurz vor seinem Flug von Tomsk nach Moskau getrunken hat.
Als Beweis genügte ein Foto, dass von seinem Team in sozialen Medien veröffentlicht wurde. Erinnerungen an den bislang nicht aufgeklärten Skripal-Fall wurden schnell wach. Rein zufällig war bereits Tage zuvor auf dem staatlichen Sender ZDF eine kremlkritische Doku-Reihe verfügbar, die von Nazi-Hooligans aus Moskau über GRU-Killerkommandos, die beispielsweise im Fall Sergej Skripal zum Einsatz gekommen sein sollen, bis hin zu den größtenteils nur schwer nachvollziehbaren Korruptions-Enthüllungen des Nawalny-Fonds, nichts ausgelassen.
Das Timing für eine solche Doku-Reihe, die sich letztlich unverzichtbar gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin richtete, war perfekt. Fast schon zu perfekt, wäre da nicht die Diagnose des Omsker Krankenhaus, die später durch die Diagnose der Berliner Charité widerlegt werden soll. Dort sprach man über einen plötzlichen Absturz des Blutzucker-Spiegels, auf den wir später noch genauer eingehen werden, der laut den russischen Ärzten Ursache für die rapide Verschlechterung von Nawalnys Gesundheitszustand gewesen sein soll und den russischen Rechtsanwalt und Blogger für knapp vier Wochen ins Koma befördern soll. Ziemlich schnell wurde die Forderung laut, Nawalny in der Berliner Charité zu behandeln, die auch relativ schnell von Moskau aus bewilligt wurde.
Bevor wir jetzt an den ersten ärztlichen Befund aus Russland etwas genauer eingehen, gehen wir auf die Widersprüche und Fragen ein, die sich am besagten Wochenende und letzte Woche aufdrängen. Erstens: Warum hat der Kreml, vor allem Putin, kein Problem damit, dass Nawalny in der Berliner Charité behandelt wird, sollte er, wie es der Westen letztendlich behauptet hinter dem Anschlag stehen? Bis auf einige Verzögerungen wurde der berühmte Patienten letztlich am Sonntag ins das Berliner Krankenhaus eingeliefert, wo er drei Wochen lang künstlich im Koma gehalten wurde.
An dieser Stelle sei festzuhalten, dass der westliche Narrativ bis am vergangenen Donnerstag davon ausging, Nawalny nahm das tödliche und gemeingefährliche Nervengift der Nowitschok-Famlie am Flughafen zu sich. Auf einmal veröffentlichte das PR-Team am Donnerstagmittag, den 17. September, ein Video, das beweisen soll, der Dissident sei im Hotel durch Wasserflaschen vergiftet worden, die man ins Flugzeug schmuggelte, dass vom Jaka Bizli in windeseile organisiert wurde.Und das alles ohne Hilfe von ausländischen Geheimdiensten?! Zur Erinnerung: Wir sprechen hier von einem hochkomplexen gefährlichen Gift, das für alle Personen tödlich sein soll, die nur in die unmittelbare Nähe des Nervenagenten kommen.
Erinnerm Sie sich noch an die Bilder aus dem Jahre 2018, wie britische Kampfstoffexperten mit Schutzanzügen das Haus von Skripal inspizierten, nachdem hier ebenfalls Nowitschok zum Einsatz kam, aber letzlich weder bei Skripal noch bei seiner Tochter tödliche Folgen hatte? Und auf dem besagten Video im Tomsker Hotel sammelten die Mitarbeiter von Nawalny die vermeintlich kontaminierten Wasserflaschen ein und brachten sie in das Flugzeug, wo sich auch der Patient Nawalny in Lebensgefahr befunden haben soll.
Es sei an dieser Stelle zu untersteichen, dass man hier der Fall Nawalny nicht gelöst werden soll. Hier sollen letztlich Widersprüche genannt werden, für die nicht Russland verantwortlich ist, sondern die Berichterstattung des Westens, die angeblichen Befunde des Bundeswehr-Krankenhauses, die zusammen mit Porton Down und französischen, schwedischen und bulgarischen Labors und am Ende noch durch die Organisations für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW), sowie die Anschuldigungen seitens Berlin und Brüssel, die vor gut zwei Wochen noch eine ganz andere Geschichte präsentierten, auf die Russland anscheinend nichts anderes antworten kann, als sich zum angeblichen Giftgas-Anschlag zu bekennen.
Ganz abgesehen davon, widerspricht das Verhalten von Berlin, Brüssel oder Washington allen Maximen eines üblichen Strafverfahren, einen mutmaßlichen Mordversuch aufzuklären. Letzlich ist es auch ihre Aufgabe, eine mögliche Straftat in Russland aufzuklären, sondern diese Aufgabe obliegt der russischen Justiz, der man anscheinend allerlei Steine in den Weg räumt, überhaupt mit der Arbeit anzufangen. So viel zu den Widersprüchen bis dahin. Knüpfen wir an dieser Stelle nochmal von vorne an und greifen die Diagnose des russischen Krankenhauses auf, die zunächst einen rapiden Abstieg des Blutzucker-Spiegels beim Patienten Nawalny diagnostiziert haben.
Insulin als Tatmittel?
Um den Blutzucker-Spiegel auf so ein niedriges Niveau herabzusinken, braucht man kein Nowitschok, sondern ein einfaches Hormon, das man in jeder Apotheke als Rezept erhält. Die Rede ist von Insulin, das für einen Diabetiker lebensverlängernd ist, für einen gesunden Menschen allerdings hochgefährlich ist und eine Verabreichung sogar tödlich enden kann.
Insulin ist ein für alle Wirbeltiere lebenswichtiges Proteohormon, das in den β-Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Diese spezialisierten Zellen befinden sich in den Langerhans-Inseln. Von diesen Inseln leitet sich auch der Name „Insulin“ ab. Ein Diabetiker benötigt synthetisches Insulin, weil seine Bauchspeicheldrüse nicht genügend körpereigenes Insulin produziert, so dass er ohne dieses Mittel früher oder später an einer Überzuckerung stirbt. Genauere Details lassen sich leicht im Netz recherchieren, wer sich verbindlich darüber informieren möchte, kann sich von einen Mediziner aufklären lassen.
Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass Nawalny zuckerkrank, so die vulgäre Bezeichnung der Stoffwechselerkrankung, ist. Sollte dies der Fall gewesen sein, so hätte sowohl ein besonnener durchschnittlicher Arzt als auch der Diabetiker selbst schnell die Ursache für den rapiden Abtieg des Blutzuckerspiegels erkennen können: eine zu hohe Dosis des Hormons kann auch bei Diabetikern zu Unterzuckerung führen. Als Gegenmittel hilft hier Zucker, Traubenzucker, Honig, um den Blutzuckerspiegel wieder auf ein für Diabetiker normales Niveau zu erhöhen.
Wird hingegen einem gesunden Menschen Insulin injiziert oder oral verabreicht, so kann weder der Patient, noch der Arzt ohne weiteres den Einsatz des Stoffes feststellen. Er kann lediglich feststellen, dass keine Vergiftung durch Nowitschok vorlieg, gleichwohl aber eine Unterzuckerung, die wie im vorliegenden Fall den Patienten in ein Koma befördern kann, im schlimmsten Fall -wie oben bereits gesagt- tödlich enden kann. Insulin ist in der Apotheke nur auf Rezept erhältlich, illegal kommt man allerdings leichter dran als an Nowitschok.
Und das Hormon ist nur bei Einahme (durch Sprizte oder orale Verabreichung) gefährlich — im Gegensatz zu Nowitschok, dass bekanntlich jedes Lebewesen töten kann, dass ungeschützt damit in Berühung kommt. Zugegeben, diese These, angenommen sie stimme, erklärt noch lange nicht, wie das Insulin in den Körper von Nawalny gelangt sein könnte. Entweder es wurde ihm unbewusst verabreicht, so dass er sich wirklich glücklich schätzen kann, dass er den Insulinschock überlebt hat. Oder er hat es frewillig eingenommen, um eine Vergiftung vorzutäuschen, was allerdings unwahrscheinlich ist, denn das Risiko einen bleibenden Schaden von sich zu tragen, ist sehr hoch.
Im Übrigen ist der Missbrauch von Insulin so alt, wie die Synthese des Hormons selbst, das beispielsweise aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen gewonnen wird und mit Zink haltbar gemacht wird. Es wurde seitdem zumindest als Mordmittel eingesetzt, das selbst in der Gerichtsmedizin schnell übersehen werden kann. Der Einstich wird hierbei nämlich schnell übersehen. Zudem wurde der Einsatz von Insulin als Foltermittel eingesetzt, nachdem man in den 1930er Jahren versuchte, Suchtkranke durch eine Insulinshocktheraphie zu heilen, die oftmals auch tödlich oder zumindest ein Koma nach sich zog.
Abschließend sei an dieser Stelle zu unterstreichen, dass diese Annahme letzlich nur eine Theorie ist, die allerdings plausibler und glaubhafter scheint, als die Verschwörungstheorien, die der Westen, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel unter Berufung auf nicht neutrale Laborbefunde verbreitet. Deswegen wird im Titel auch betont, dass hier Widersprüche dargelegt werden sollen und eine mögliche Alternative als Ursache für Nawalnys plötzliches Koma dargelegt werden soll.
Wie bereits oben erwähnt, kann Insulin als Mordwaffe eingesetzt werden und der Nachweis ist schwierig festzustellen, wie ein Kriminalfall aus dem Jahre 2018 in Ottobrunn zeigt, den das Portal Apotheke adhoc in einem Artikel aufgegriffen hat. Je länger es dauert, desto schwieriger ist der Nachweis, dass das Hormon als Mordwaffe zum Einsatz gekommen ist. Und ein geheimes Labor ist für diese Methode nicht nötig, auch kein Geheimdienst, sondern mindestens eine Person, die als Diabetiker Insulin in jeder Apotheke auf Rezept erwerben kann.
Von Christian Bärenfänger, speziell für News Front.