«Transatlantische Lobbyarbeit»: Deutscher Ökonom über die Forderungen, den Bau von Nord Stream 2 zu stoppen

Spätestens nach der Nawalny-Geschichte wird in der deutschen Politik die Forderung nach einem Baustopp für Nord Stream 2 immer lauter. Nach Einschätzung des Ökonomen Dr. Eike Hamer wäre dieser Schritt für Deutschland katastrophal.

In einem Interview mit dem russischen Sender RT Deutsch sprach Wirtschaftsexperte Hamer, Unternehmer und Vorstandsmitglied des Mittelstandsinstituts Niedersachsen e.V., der Deutschen Mittelstandsstiftung e.V. sowie der Derek Oil and Gas Corporation über die Folgen eines Baustopps der Ostseepipeline. Seiner Auffassung nach wäre dieser Schritt zum Nachteil für Deutschland und Europa, während letztendlich die USA davon profitieren würden.

Ihm zufolge wäre dieser Schritt für Deutschland und die Europäische Union (EU) katastrophal, denn sowohl für die Bundesrepublik als auch für andere EU-Staaten stünde die Glaubwürdigkeit im Hinblick auf eine zukünftige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland auf dem Spiel. Die „Rede zur Lage der Europäischen Union“ von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, in der die Vequickung von Wirtschaft und Politik zum Ausdruck kam, bezeichnete Hamer als nicht hilfreich, nahezu als «peinlich».

Ihr Plädoyer für ein Baustopp,dem sag EU-Parlament möglicherweise zustimmen soll, basiere auf einer Reihe Anschuldigungen für die es keine Beweise gebe, aber dennoch ständig wiederholt werden, obwohl sie von keinem Gericht standhalten würden.

Deswegen seien diese Forderungen Ausdruck transatlantischer Lobbyarbeit, die nicht dem Wohle Deutschland und Europas dienen, resümiert Hamer gegenüber RT Deutsch.

Tatsächlich würden die USA vom einem Baustopp der Pipeline profitieren, da sie im Falle eines Baustopps ihr Flüssiggas auf dem europäischen Markt etablieren könnten, was allerdings weniger preiswert ist als das russische Konkurrenzprodukt, das nicht über den Schifffahrtsweg nach Europa geliefert wird und somit alleine schon aus logistischen Gründen weniger rentabel ist. Die Hoffnung der USA besteht demnach darin, dass die Sanktionspolitik gegen Russland auch einen schweren Konkurrenten vom Gasmarkt in Europa verdrängen würde.

Deswegen drohen die USA auch unverhohlen mit Sanktionen gegen deutsche und europäische Unternehmen, die am Transitprojekt beteiligt sind. Kritiker aus Deutschland argumentieren vordergründig damit, dass Deutschland sich im Energiesektor von Russland zu sehr abhängig machen würde.

So argumentiert der Grüne-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer, der wie seine deutschen Parteikollegen für einen Stopp des Projektes plädiert. im Europa/Transatlantik-Beirat und der Mitgliederversammlung der russlandkritischen Heinrich-Böll-Stiftung sowie im Deutsch-Chinesischen Dialog Forum. Daneben ist er Mitglied im Vorstand des Aspen-Institut Berlin, im Advisory Board des AJC Ramer Center Berlin

Neben den USA haben vor allem Polen, die Ukraine  ein Interesse daran, dass die Gaslieferungen aus Russland weiters durch ihr Land verlaufen, um am Übertragungstarif weiter zu profitieren. Die Ukraine sieht gar die Gefahr darin, dass ihre Transitleitungen ausgetrocknet werden.

Nord Stream 2 ist eine neue Exportpipeline für Gaslieferungen aus Russland nach Europa durch die Ostsee. Das Projekt Nord Stream 2 wird durch die Projektgesellschaft Nord Stream 2 AG umgesetzt. Der Ostseeabschnitt von Nord Stream 2 beginnt im Raum Ust-Luga, Verwaltungsgebiet Leningrad und verläuft über den Boden der Ostsee bis zur deutschen Küste nahe der Stadt Greifswald unweit des Endpunktes des maritimen Abschnitts der Pipeline Nord Stream. Die Route ist mehr als 1.200 Kilometer lang.

Im Oktober 2012 prüften nach Angaben des russischen Energiekonzerns Gazprom die Aktionäre des Projekts Nord Stream die vorläufigen Ergebnisse der technischen und wirtschaftlichen Studie für den Bau eines dritten und vierten Strangs der Pipeline und kamen zu dem Schluss, dass deren Bau wirtschaftlich sinnvoll und technisch machbar sei. Später erhielt das Projekt für den Bau eines dritten und vierten Pipelinestrangs den Namen Nord Stream 2.

Im April 2017 unterzeichnete Nord Stream 2 AG Finanzierungsvereinbarungen zum Projekt der Pipeline Nord Stream 2 mit den Konzernen ENGIE, OMV, Royal Dutch Shell, Uniper und Wintershall. Fünf europäische Unternehmen werden eine langfristige Finanzierung in Höhe von 50 Prozent vom Gesamtwert des Projekts übernehmen.