Eskalation im eingefrorenen Konflikt um Bergakarabach — Worum es geht: Einflusszonen, Rohstoffe und Religion

Seit Sonntag ist der eingefronene Konflikt um die Repulik Arzach, so heißt nennt sich die Republik Bergkarabach angelehnt an das gleichnamige Königreich im Mittelalter, der sich zu einem Stellvertreter-Krieg entwickeln kann. Um die Konstellation aufzudröseln, ist die geopolitische Interessenlage darzulegen.

Etwa seit dem Ende der Sowjetunion im Jahre 1991 dauert der Konflikt an, der an für sich von niedriger Intesität ist. Damals wollten die christlichen Armenier, die in der heutigen Republik Arzach (seit 2017) leben, keine Minderheit in der islamisch geprägten Republik Aserbaidschan sein und erklärten Bergkarabach für unabhängig. Russland, gleichzeitig Schutzmacht für Armenien, unterstützt Bergkarabach ebenso wie Transnistrien oder Südossetien international. Armenien fühlt sich den Armenien in Bergkarabach verbunden und gilt daher als direkte Schutzmacht.

Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan zeigt sich besorgt über die Entwicklungen im aktuellen Klinch mit Aserbaidschan: „Wir alle sehen das als existenzielle Bedrohung für unser Volk, als eine Kriegserklärung an das armenische Volk, und wir sind momentan dazu gezwungen, von unserem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch zu machen“, sagte der Premier gegenüber dem russischen Staatsfernsehen.

Die ehemalige Sowjetrepublik Aserbaidschan erhebt Anspruch auf die umstrittene rohstoffreiche Region, die kann auf Hilfe der Türkei zählen, die sich einerseits im Dauerkonflikt mit Armenien befindet und andererseits als islamische Schutzmacht für Aserbaidschan wahrgenommen werden will. Gleichzeitig will man nicht die guten Beziehungen mit Russland aufs Spiel setzen. Das gilt sowohl für Aserbaidschan als auch für die Türkei, die Medienangaben zufolge bereits syrische Söldner nach Aserbaidschan geschickt haben soll.

Aus türkischer Sicht halte Armenien mit Bergkarabach aserbaidschanisches Territorium unter Kontrolle, weswegen Ankara Baku sowohl politisch und militärisch unterstützt. Während die Türkei eindeutig Position bezieht, hält sich Moskau bedeckt und mahnt beide Seiten, die Kampfhandlungen zu beenden, die immer wieder in unregelmäßigen Abständen heftig anfangen und ziemlich unspektakulär in Vergessenheit geraten. Bereits im Juli kam es zu Kämpfen in der Region.

Das deutsche Nachrichtenportal Telepolis schrieb am 19 Juli zu den Kämpfen: Eine kurze Waffenruhe nach dem Schlagabtausch am vergangenen Wochenende wurde am Donnerstag durch Artilleriefeuer abermals gebrochen. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, den nach internationalen Appellen ausgerufenen Waffenstillstand gebrochen zu haben. Bereits damals galt Ankara als «Scharfmacher» Konfliktes , während Moskau zur Deeskalation aufgerufen hat.

Russland ist also wieder am Zug und verhandelt seit Dienstag sowohl mit Amenien und Aserbaidschan, die sich seit drei Tagen wieder bekämpfen. Über 40 Tote und Dutzende Verletzte sind inzwischen die Bilanz der Kämpfe, die sich auch auf dem Informationsfeld abspielen. Heute wurde berichtet, eine türkische F-16 habe einen armenischen Su-24-Bomber abgeschossen, was Ankara allerdings dementiert. Ein weiteres Beispiel der Medienschlacht zwischen Aserbaidschan und Nagornokarabach, so der alterantive Name der Republik Arzach beziehungsweise Bergkarabach.

„Auf Initiative der armenischen Seite fand ein Telefongespräch zwischen dem Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, und dem Premierminister der Republik Armenien, Nikol Paschinjan, statt“, heißt es in der Mitteilung. „Wladimir Putin äußerte ernsthafte Besorgnis über die anhaltenden Kampfhandlungen“, schreibt RIA Novosti heute.

Zahlreiche Beispiele für die Propaganda-Schlacht zwisch Jerewan und Baku präsentierte der Journalist Nikita Gerassimov auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, wo beide Seiten beispielsweise dasselbe Videomaterial verwenden, um jeweils einen militärischen Erfolg für sich zu beanspruchen. Aber auch der Einsatz von türkischen Drohnen auf Seiten Aserbaidschans wird vom russischen Journalisten dokumentiert.

Kim Kardashian steht hinter ihren Landsleuten, schreibt die Süddeutsche Zeitung über den Konflikt im Südkaukasus und zitierte den Reality-Star: «Armenien ist das Opfer unprovozierter Attacken durch Aserbaidschan».

Nochmal zu den Stellvertretern oder Akteuren zurückzukommen, droht allenfalls indirekt ein Stellvertreter-Krieg zwischen Ankara und Moskau, die unter anderem auch unterschiedliche Interessen in Syrien oder Libyen verfolgen. Allerdings ist nicht die Tatsache zu vernachlässigen, dass Russland und die Türkei die Region um Bergkarabach als ihre Einflussphäre sehen. Vielmehr kann es allerdings zu einer Konfrontation zwischen Aserbaidschan und Armenien direkt kommen, wobei das muslimische Land ein militärisches Übergewicht vorzuweisen hat. Insofern kann man auch sagen, dass hier ein Kampf um das Christentum gegen den Islam kommen könnte.

Bleibt also zu hoffen, dass die Kämpfe zwischen Armeniern und Aserbaidschanern nach den Gesprächen mit Moskau schnell wieder im Sande verlaufen. Für gewöhnlich ist das auch der Fall, denn auch nachdem Mitte Juli in der Region Kämpfe aufgeflammt sind, wurden diese nach Gesprächen mit Russland schnell wieder beigelegt. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass Aserbaidschan infolge der Rohstoffexporte eifrig in das Militär investiert und immer mehr Übergewicht gegenüber Armenien schaffen, die letztlich dann nur auf die Schutzmacht aus Russland hoffen kann, die auch eine Militärbasis im Land halten.

Von Christian Bärenfänger, speziell für News Front.