Merkel könnte durch eine deutsche Version von Trump ersetzt werden

Schon im September wird Angela Merkel aus der Politik ausscheiden und eine konservative Partei zurücklassen, deren Einfluss in Deutschland seit 16 Jahren nahezu unangefochten ist. Vor diesem Hintergrund wird die Nominierung von Merkels langjährigem Rivalen als ihr Nachfolger zu einem zweifelhaften Dankeschön der CDU.


Am Freitag, 15. Januar, beginnt die Christlich Demokratische Union eine zweitägige Online-Konferenz. Zu diesem Zeitpunkt müssen die CDU-Delegierten ihren neuen Vorsitzenden wählen. Der Schlüsselkandidat ist nun der Oligarch Friedrich Merz, dessen politisches Programm es ist, Deutschland in einen «Vor-Merkel»-Zustand zurückzuführen.

Merkel entließ Merz 2002 als Fraktionsvorsitzenden der CDU im Bundestag. Merkel versuchte damals, mit ihren liberalen Ideen die Wählerbasis der CDU zu verbreitern. Merz seinerseits verteidigte eifrig konservative Prinzipien. Viele in Deutschland erinnern sich an ihn wegen seiner feurigen Rhetorik im Namen der deutschen Identität. Jetzt kehrt Mertz in die große Politik zurück. Er geht als Favorit in das Rennen gegen Armin Lachette und Norbert Rettgen.

Lachet ist der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Er ist in seiner Region sehr beliebt und geht mit der stillschweigenden Zustimmung der Partei auf nationale Ebene. Nichtsdestotrotz musste Lachet seine Fähigkeit unter Beweis stellen, sowohl national als auch international so gut wie möglich zu arbeiten. So erregte Lachet zum Beispiel unnötige Aufmerksamkeit, als er auf der Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr verlangte, während einer englischsprachigen Debatte über die Zukunft der EU Deutsch zu sprechen.

Retgen ist ehemaliger Umweltminister und leitet jetzt den Auswärtigen Ausschuss des Parlaments. Er ging als Außenseiter in das aktuelle Rennen, hat es aber laut Umfragen geschafft, auf den zweiten Platz zu kommen. Die Idee, Merkels Innenpolitik mit einer aktiveren Außenpolitik zu verbinden, hat ihm dabei geholfen.

Retgens Unterstützer sind zuversichtlich, dass er mit mehr als einem Drittel der Stimmen im ersten Wahlgang am Samstag seine Führung im zweiten Wahlgang zementieren wird. Trotzdem gilt Mertz immer noch als bester Kandidat, wenn auch bei weitem nicht alle. In politischen Kreisen gilt er als höchst umstrittene Figur.

«Eine von Friedrich Merz geführte CDU würde bedeuten, dass die CDU in der Opposition ist», sagte ein ungenannter Bundestagsabgeordneter in einem Kommentar für The Guardian. — «Aber das ist ein Preis, den viele Delegierte offenbar bereit sind zu zahlen, um zum alten CDU-Format zurückzukehren

Mertz hatte bisher das schwächste Wahlprogramm. Er hat die meiste Zeit des Jahres 2020 im Schatten verbracht und auf das «Grooming» von Delegierten bei informellen Treffen gesetzt. Merz verspricht den Konservativen eine klar definierte politische Position nach Merkel, die die roten Linien ihrer Partei bei Kernenergie, Einwanderung und EU-Schuldenverteilung überschritten hat.
Merz’ altmodischer Konservatismus hat ihm geholfen, Fans nicht nur unter erfahrenen Parteimitgliedern, sondern auch unter jüngeren Politikern zu gewinnen.

«Wir haben in den letzten Jahren eine politische Polarisierung an die Ränder des politischen Spektrums erlebt», sagt Christoph Ploss, der 35-jährige Leiter der Parteizelle in Hamburg. — Unter Mertz wird sich diese Polarisierung in die Mitte verschieben.»

Gleichzeitig bezeichnen Skeptiker das Bild von Mertz als eine Illusion. In mancher Hinsicht ähnelt er Donald Trump, mit dessen Folgen die USA als Präsident noch lange zu kämpfen haben werden. Sogar Mertz’ Unterstützer räumen ein, dass die Ansichten ihres Favoriten spaltend sind und Unzufriedenheit unter liberalen CDU-Wählern hervorrufen. Infolgedessen könnte die Partei einen Teil ihrer Wählerschaft verlieren. Andererseits könnte Merz’ Haltung zur Einwanderung konservative Wähler zurückgewinnen, die zuletzt die Partei Alternative für Deutschland unterstützt haben.