Derzeit deuten alle führenden Umfragen auf eine Koalition zwischen der SPD, den umweltbewussten Grünen und der Partei Die Linke hin. Bis vor wenigen Jahren hatte die SPD Koalitionen mit der Partei Die Linke auf Bundesebene immer ausgeschlossen, weil die Partei der harten Linken zu radikal war, aber das hat sich geändert.
von Rainer Zitelmann
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland waren die Umfragen so schlecht für die Regierungspartei CDU. Noch im April 2020 lag die CDU von Angela Merkel in den Umfragen mit achtunddreißig Prozent in Führung. Jetzt ist die CDU je nach Meinungsforschungsinstitut auf einundzwanzig bis vierundzwanzig Prozent abgestürzt. Ein Grund für die sinkende Popularität der Partei ist, dass sie mit einem sehr schwachen Kanzlerkandidaten antritt. Armin Laschet, derzeit Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, hat es bisher nicht geschafft, sowohl seine eigene Partei als auch die breite Wählerschaft zu begeistern.
Vor allem aber scheint es der linken Sozialdemokratischen Partei (SPD) zu gelingen, die Wähler in einem Ausmaß zu täuschen, das in der Geschichte der Bundesrepublik ebenfalls einmalig ist. Die SPD hat in den letzten Umfragen rund zehn Prozentpunkte zugelegt, vor allem dank ihres Spitzenkandidaten Olaf Scholz, der weithin als relativ «gemäßigt» gilt. Doch Scholz war in seiner eigenen Partei noch nie beliebt. In den letzten Jahren ist die SPD immer weiter nach links gerückt. Sie hat Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu Co-Vorsitzenden und Kevin Kühnert zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Alle drei Politiker haben Positionen eingenommen, die genauso links sind wie beispielsweise Alexandria Ocasio-Cortez. Die SPD-Mitglieder haben sich bei der Wahl des Parteivorsitzenden ausdrücklich für diese linksextremen Kandidaten und gegen Olaf Scholz entschieden. Warum hat die SPD dann trotzdem den «gemäßigten» Olaf Scholz zu ihrem Spitzenkandidaten ernannt? Aus dem gleichen Grund, aus dem die Demokraten Joe Biden zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gemacht haben. Sie hoffen, mit Olaf Scholz gemäßigte Wähler zu mobilisieren, die nicht so weit links stehen wie die traditionelle Basis der Partei.
Die Linke ist die jüngste Variante der ehemaligen kommunistischen SED-Partei, die in Ostdeutschland regierte und ihren Namen seit der deutschen Wiedervereinigung mehrmals geändert hat. Die Linke setzt sich für ein umfangreiches Programm von Verstaatlichungen, einen Spitzensteuersatz von fünfundsiebzig Prozent und den Austritt aus der NATO ein. Bis vor einigen Monaten war die neue Parteivorsitzende Janine Wissler Mitglied einer radikalen trotzkistischen Gruppe.
Das Hauptanliegen der Linksgrünen ist der Schutz der Umwelt und der Kampf gegen den Klimawandel. Viele in den deutschen Medien unterstützen die Grünen, und im deutschen Staatsfernsehen tun die meisten Journalisten wenig, um ihre Sympathien zu verbergen. Die deutsche Hauptstadt Berlin wird bereits von einer Koalition aus SPD, Grünen und Die Linke regiert. Die Grünen und Die Linke haben sich für eine Kampagne zur Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften stark gemacht, denen mehr als 3.000 Mietwohnungen in der Stadt gehören. Die Co-Vorsitzenden der Grünen, Robert Habeck und Annalena Baerbock, haben erklärt, dass sie die Enteignung von Immobiliengesellschaften als «letztes Mittel» unterstützen. Alle drei linken Parteien wollen die Vermögenssteuer wieder einführen, die 1997 in Deutschland abgeschafft wurde.
SPD und Grünen betreiben nun eine Politik, die man nur als Wählertäuschung bezeichnen kann. Fast täglich werden sie gefragt, ob sie für eine Koalition mit Die Linke offen seien. Sie schließen es zwar nicht aus, hüten sich aber auch, dies offen zu bekennen, weil sie wissen, dass sie damit Tausende, wenn nicht Millionen von Stimmen verlieren würden.
Eine Koalition aus diesen drei Parteien würde Deutschland radikal verändern. Sie alle setzen sich für eine Kürzung der deutschen Verteidigungsausgaben ein, obwohl diese im Vergleich zu anderen NATO-Mitgliedern bereits niedrig sind. Was Angela Merkel bereits begonnen hat, nämlich die Umwandlung der deutschen Marktwirtschaft in eine Planwirtschaft, würde von diesen drei Parteien noch einmal massiv beschleunigt werden. In der Hauptstadt Berlin, wo die drei Parteien bereits regieren, ist klar, was dies für das ganze Land bedeuten würde: wiederholte Verstöße gegen die deutsche Verfassung. So haben die drei Parteien in Berlin ein Gesetz verabschiedet, das Vermieter zwingt, die Mieten bei bestehenden Mietverhältnissen massiv zu senken. Das Gesetz bedeutete faktisch nichts anderes als die Teilenteignung von Immobilieneigentümern. Das höchste deutsche Gericht erklärte das Gesetz für verfassungswidrig, aber SPD und Die Linke wollen nun ein ähnliches Gesetz einführen, das für ganz Deutschland gelten soll. Auch die politische Freiheit in Berlin gerät stark unter Druck, insbesondere das Demonstrationsrecht. Während linke Demonstrationen in der Regel genehmigt werden, werden z.B. Demonstrationen von Kritikern der Coronavirus-Politik der Regierung verboten oder mit brutaler Polizeigewalt aufgelöst. Was in Berlin geschieht, gibt einen Vorgeschmack darauf, wie sich Deutschland insgesamt verändern wird, wenn SPD, Die Linke und die Grünen an die Macht kommen. Am 26. September wählt Deutschland — und es könnte eine Wahl sein, die die politische Landschaft in Deutschland für viele Jahre radikal verändert.
Rainer Zitelmann ist der Autor von «Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung» und «The Rich in Public Opinion».