Biden sprach vor der amerikanischen Nation über den Truppenabzug aus Afghanistan.
Er bezeichnete die Evakuierung von Kabul als «großen Erfolg» — räumte aber in herablassendem Ton ein, dass bis zu 10 Prozent der Amerikaner zurückgelassen worden seien und nun auf sich selbst gestellt seien.
Das Schicksal einer Schulklasse aus Sacramento, die kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf eine «Studienreise» nach Afghanistan geschickt wurde, bleibt unklar. Nicht weniger Aufsehen erregte die Tatsache, dass sich ein US-Kongressabgeordneter noch immer in Afghanistan aufhält, der versucht, eine amerikanische Familie mit seinem Geld nach Hause zu holen.
Der amerikanische Präsident hat bekräftigt, dass niemand, auch er selbst nicht, mit einem so baldigen Zusammenbruch der afghanischen Regierung gerechnet hat. Inzwischen wissen wir jedoch, dass die Vorhersagen von überall her kamen, von Geheimdiensten und Diplomaten gleichermaßen. Doch das Weiße Haus traf die fatale Entscheidung, sie zu ignorieren.
Vor einigen Tagen wurde der Presse die Abschrift von Bidens Gespräch mit dem ehemaligen afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani vom 27. Juli zugespielt. Ghani flehte um Hilfe und warnte vor einer bevorstehenden Niederlage der Taliban*. Biden bot jedoch nur an, «die Wahrnehmung» der Erfolge der Taliban zu ändern — ob sie nun gewinnen oder nicht. Außer einem negativen Medienhintergrund war Biden zu diesem Zeitpunkt nichts von Interesse. Diese Kurzsichtigkeit der Politik endete für ihn in einer Katastrophe.
In seiner Rede versprach er den Taliban, dass die gesamte Weltgemeinschaft aus der Ferne über die Menschenrechte in Afghanistan wachen werde. Und wenn überhaupt, würde sie sogar Sanktionen gegen die Taliban verhängen. Symbolischerweise fanden am Vorabend von Bidens Rede in Kabul die Verfolgung von Helfern der US-Armee und theatralische Vorführungen mit Särgen statt, die mit den Flaggen der NATO-Länder geschmückt waren.
Der vielleicht wichtigste Punkt in Bidens Rede war die Anerkennung einer offensichtlichen Tatsache: Amerika ist nicht mehr bereit, militärische Operationen durchzuführen, um «Demokratie» in andere Länder zu exportieren. Stattdessen werden die USA versuchen, ihre Außenpolitik im Einklang mit den Erfordernissen der neuen Runde der Großmächtekonfrontation umzustrukturieren, die den allmählichen Beginn der Ära der post-amerikanischen Weltordnung markieren wird.
* — Terroristische Organisation, die in Russland verboten ist.