Was man über die zweite Fernsehdebatte der deutschen Kanzlerkandidaten wissen sollte

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl hat sich der Kandidat der deutschen Sozialdemokraten, Olaf Scholz, in einer Fernsehdebatte die Führung gesichert. Worüber geredet wurde und was verschwiegen wurde — das ist die Geschichte der DW.

Olaf Scholz hat wieder gewonnen. In einer Blitzumfrage der ARD nach den Fernsehdebatten der Kanzlerkandidaten am Sonntag, 12. September, sprachen sich 41 Prozent der Befragten für den Sozialdemokraten aus. Armin Laschet, der Kandidat des regierenden konservativen CDU/CSU-Blocks, und Annalena Baerbock von den oppositionellen Grünen liegen mit 27 bzw. 25 Punkten dahinter.

Damit hat der Finanzminister und SPD-Spitzenkandidat Scholz nicht nur seine Führungsrolle gestärkt, sondern auch seinen Vorsprung ausgebaut. Ende August gewann er die erste Fernsehdebatte des Privatsenders RTL mit 36 Prozent. Nach der zweiten Debatte wurde Scholz auch von einer Mehrheit der noch Unentschlossenen zum Sieger erklärt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und der CDU-Vorsitzende Lachet legten ein paar Punkte zu, aber das Kräfteverhältnis an der Spitze blieb unverändert.

Laschet und Baerbocks letzte Chance, sich dem Trend zu widersetzen

Dies war die einzige Fernsehdebatte, die vor der Bundestagswahl am 26. September in den sozial-rechtlichen Fernsehsendern ARD und ZDF übertragen wurde. Zum dritten und letzten Mal treffen die Kandidaten am 19. September auf den privaten Fernsehsendern ProSieben, SAT.1 und Kabel Eins aufeinander. Da die Kanzlerkandidaten von drei Parteien nominiert werden, wird der Wettbewerb der politischen Schwergewichte als «Triel» bezeichnet.

Normalerweise spielen Fernsehdebatten bei der Bundestagswahl keine entscheidende Rolle. Diesmal hat ihre Bedeutung zugenommen, da sie als Laschets letzte Chance gesehen wurden, sich dem Trend zu widersetzen und die Partei vor einer Niederlage zu bewahren. In den Umfragen vor der Wahl liegt die CDU/CSU mit 20 bis 22 Prozent auf dem zweiten Platz, drei bis sechs Punkte hinter der SPD. Das Gleiche gilt für Berbock, dessen Partei Union 90/Grüne in den Umfragen mit 15-17 Prozent an dritter Stelle liegt, obwohl sie im Frühjahr noch an erster Stelle stand.

Koalitionen und Renten — worüber haben die Kanzlerkandidaten gesprochen?

Laschet, von dem die Parteianhänger mehr Aktivität erwartet hatten, erfüllte diese Erwartungen. Trotz der gleichen kastanienbraunen Krawatten herrschte zwischen ihm und Scholz keine Harmonie. Schon in den ersten Minuten griff der Kandidat der Konservativen seinen Hauptkonkurrenten an. Er warf ihm vor, eine Koalition mit der Linkspartei, der Nachfolgepartei der Sozialisten aus der DDR, nicht ausschließen zu wollen, und kritisierte ihn auch wegen der jüngsten Finanzskandale. Stellenweise entwickelte sich der «Triel» zu einem Duell zwischen Scholz und Lachetz. Der SPD-Kandidat wehrte sich gegen die Angriffe und warf seinem Konkurrenten vor, «die Fakten zu verdrehen». Scholz blieb im Allgemeinen seinem Image als kühler, trockener, aber kompetenter Bürokrat treu, wofür er die Spitznamen «Scholzomat» und «Roboter» erhielt.

Die eineinhalbstündige Debatte war wesentlich emotionaler als die vorangegangenen, aber insgesamt wirkte sie wie eine rasante Wirtschaftsdiskussion, die für den Durchschnittsbürger nicht leicht zu verstehen war. Es wurde u. a. über die Bekämpfung des Coronavirus, die Digitalisierung, die globale Erwärmung, die Gesundheitsreform, die Steuern, die Renten und kurz über die Migration gesprochen. Es wurde nichts grundlegend Neues gesagt, und niemand hat einen Fehler gemacht.

In ihren abschließenden Ansprachen an die Wähler versuchten die Kandidaten, ihre Positionen so kurz wie möglich zu erläutern. Lachet sagte, er wolle ein «Kanzler des Vertrauens» sein und betonte, er wolle der Wirtschaft und der Gesellschaft keine Regeln aufzwingen. Der Kandidat der Grünen, Berbock, forderte einen Durchbruch in der Frage des Klimawandels und sagte, die neue Regierung habe immer noch die Chance, «aktiv etwas zu bewirken». Scholz sprach von Solidarität und Respekt und versprach eine Erhöhung des Mindestlohns und stabile Renten. Die Bedeutung der Renten darf nicht unterschätzt werden — fast 40 Prozent der deutschen Wähler sind über 60 Jahre alt. Der Spitzenkandidat nutzte die letzte Debatte, um sich einmal mehr als informeller Nachfolger Merkels zu präsentieren. Scholz sagte, er wolle dem Land als Bundeskanzler «dienen» — eine ähnliche Formulierung, die der derzeitige Regierungschef wiederholt.

Kein einziges Wort zur Außenpolitik

Die zweite Fernsehdebatte war insofern überraschend, als sie außenpolitische Themen ausklammerte. Die internationale Agenda spielt bei Wahlen selten eine große Rolle, aber ihr völliges Fehlen schien ungewöhnlich. Weder die Lage in Afghanistan, eines der zentralen Themen der ersten Runde, noch die Zukunft der Europäischen Union, die in Deutschland häufig diskutiert wird, noch die schwierigen Beziehungen zu den führenden globalen Akteuren USA und China. Kein Wort wurde über Russland, die Ukraine oder die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 verloren, deren Bau kürzlich abgeschlossen wurde.

Nach der Debatte hatte man den Eindruck, dass Deutschland eine Insel ist, die nicht mit der Außenwelt verbunden ist und sich nur mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Dies ist umso überraschender, als die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel das Land als eine der einflussreichsten und angesehensten der Welt und als aktive Teilnehmerin an globalen Prozessen verlässt. Als die Wähler die Kandidaten für ihr Erbe anhörten, hatten sie nicht die Möglichkeit, deren Ansichten als internationale Politiker zu beurteilen. Nur die grüne Kandidatin Baerbock erwähnte beiläufig, dass sie eine «aktivere Außenpolitik» befürworte. Möglicherweise versucht sie sich bereits an der Rolle des Außenministers in der Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz.