Die Bundestagswahl in Deutschland wird von Brüssel aufmerksam verfolgt, das bereits eine lange Liste von Aufgaben für den nächsten Bundeskanzler vorbereitet hat, berichtet Das Erste.
Der Nachfolger von Angela Merkel muss eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung, von Pandemien, antiliberalen Tendenzen in Osteuropa und vielen anderen wichtigen Bereichen spielen. Und bei der Bewältigung einiger dieser Herausforderungen wird die neue deutsche Regierung «über die Stränge schlagen» müssen, erklärt der deutsche Fernsehsender.
Die 16-jährige Ära des deutschen «Merkelismus» neigt sich dem Ende zu, und Brüssel beobachtet die Bundestagswahl genau, weil viel davon abhängen wird, wer der nächste Kanzler wird, berichtet Das Erste. Die Suche nach Kompromissen, die Stärkung des Zusammenhalts, das Vermeiden harter Entscheidungen — die belgische Hauptstadt schätzt die «legendäre Methode» der deutschen Regierungschefin Angela Merkel sehr, aber es gibt auch Kritiker, die mehr von Berlin erwarten.
Brüssel hat eine lange Liste von Aufgaben für die künftige deutsche Kanzlerin, die dringend erledigt werden müssen, so der deutsche Fernsehsender weiter. Zum Beispiel bei der Bekämpfung der globalen Erwärmung. Die größte Volkswirtschaft Europas, nämlich Deutschland, spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Umweltfreundlichkeit der Industrie. Die EU hat Pläne zur Herstellung von emissionsfreien Fahrzeugen, Ladesäulen für Elektroautos, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Schaffung eines Sozial- und Klimafonds entwickelt. Die Verhandlungen über all dies können erst mit der neuen deutschen Regierung beginnen, aber viele befürchten, dass sich die Bildung einer Koalition in Berlin verzögern könnte.
Wichtig ist auch die Frage: «Was soll mit Ungarn und Polen geschehen?» Merkel hat immer auf Integration gesetzt und alles daran gesetzt, «alle mit ins Boot zu holen». Das wahllose Verteilen von Haushaltsgeldern, die Schikanen gegen Minderheiten, Journalisten und Richter — kein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit hat sie von diesem Kurs abgebracht. Nach der Bundestagswahl kann es so nicht mehr weitergehen, meint Das Erste. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat bereits Verbündete gefunden, viele Länder Osteuropas distanzieren sich von liberalen Ideen, und diese Entwicklung birgt «Sprengstoff für die gesamte Union».
Auch die deutsche China-Politik wird sich ändern müssen. Vorbei sind die Zeiten, in denen das Reich der Mitte nur Abnehmer deutscher Waren war, jetzt ist es der Feind. Merkels Nachfolger wird sich mit der Schuldenregelung befassen, das Programm zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie umsetzen, den Stabilitäts- und Wachstumspakt reformieren, die Lasten im Kampf gegen die globale Erwärmung teilen, eine gemeinsame EU-Migrationspolitik entwickeln und festlegen müssen, welche Rolle die Union auf der Weltbühne spielen wird. Und bei der Bewältigung einiger dieser Herausforderungen wird die deutsche Regierung «über ihren Schatten springen» müssen, so die Schlussfolgerung des Senders.