Deutscher Politiker (CDU) und Staatsrechtler, Rupert Scholz, äußerte sich zum Afghanistan-Desaster und zur Lage der Nation.
Herr Professor Scholz, die Sicherheitslage in Afghanistan ist fragil. Der übereilte Abzug hat die Konstruktionsmängel des gesamten Militäreinsatzes eklatant aufgedeckt. Aber wiegt es nicht noch viel schwerer, daß die Bundesregierung ihr politisches Versagen offenbar mit einer erneuten Grenzöffnung für afghanische Migranten wiedergutzumachen sucht?
Scholz: Der übereilte Abzug aus Afghanistan ist eine echte Katastrophe, die auch Deutschland zu verantworten hat. Man hat in Afghanistan mit offenkundig völlig falschen Erwartungen oder Zukunftshoffnungen operiert. Das Ergebnis ist ein totales Desaster, für das sogar 59 deutsche Soldaten ihr Leben lassen mußten. Dies alles kann man nicht über eine Grenzöffnung zugunsten von Afghanen reparieren. Natürlich muß man sich um die Afghanen kümmern, die für die Bundeswehr oder Nachrichtenmagazinfür deutsche Verwaltungen in Afghanistan gearbeitet haben. Denn diesen droht durch die Taliban nicht Gutes. Aber dies alles kann nur über das Asylrecht und dessen strenge Kontrolle gewährleistet werden. Eine Grenzöffnung für Afghanen nach dem Muster von 2015 kann nicht wieder in Betracht kommen.
Sie beklagten bereits in einem Interview mit der Welt aus dem Jahr 2018, dass das Asylrecht längst überfordert wird durch eine viele Hunderttausende umfassende Einwanderungswelle. Neben Afghanistan wächst auch der Migrationsdruck über das Mittelmeer, den Balkan und Osteuropa. Droht uns diese Einwanderungswelle erneut?
Scholz: Die im Jahre 2015 von der Bundesregierung eingeleitete totale Migrationswelle hat uns nicht nur rund zwei Millionen Migranten beschert, sondern sie hat auch wesentliche Rechtsverstöße begründet. Dies darf sich nicht wiederholen. Deutschland ist schon heute nach den USA dasjenige Land, das die zweithöchste Migrantenzahl aufweist, obwohl Deutschland ein relativ kleines und keineswegs wirtschaftlich allmächtiges Land ist.
Im damals geführten Welt-Interview ging es auch um Ihren Vorschlag, den Asylrechtsartikel 16a im Grundgesetz zu ändern. Mit welchem Ziel?
Scholz: Artikel 16a Grundgesetz, der das Asylrecht gewährleistet, wird in aller Regel fälschlich als reines Freiheitsrecht definiert, das heißt, man glaubt, daß jedermann auf der Welt Anspruch auf Asylgewährung in Deutschland hat. Dies ist jedoch nicht richtig. Das Asylrecht ist in Wahrheit und vor allem ein Leistungsrecht; und Leistungsrechte enthalten auch definitive Kapazitätsgrenzen – von der Aufnahmefähigkeit angefangen über Integrationsprobleme bis hin zu den wirtschaftlichen und sozialen Finanzfolgen. Dies sollte auch in den aktuellen Text des Artikels 16a Grundgesetz klarstellend aufgenommen werden.
Sie warnten in der Vergangenheit wiederholt davor, dass die Kosten der Masseneinwanderung die «Belastbarkeit des Sozialstaats» auf die Probe stellten. Brauchen wir eine Obergrenze?
Scholz: Im vorstehenden Sinne steht die «Belastbarkeit des Sozialstaats» definitiv auf dem Prüfstand. Richtig ist es demgemäß, wenn eine entsprechende Obergrenze für die Aufnahme von Migranten festgelegt wird. Dies sollte auch und vor allem bereits im europäischen Rahmen geschehen, zumal fast alle Mitgliedsstaaten der EU keineswegs mit der bisherigen deutschen Migrationspolitik einverstanden sind.