EU fordert China und darüber hinaus

Die Europäische Kommission will das außenpolitische Gewicht der EU mit einem Sonderprogramm zur Förderung wichtiger Infrastrukturprojekte stärken.

Finanzielle Investitionen werden ein zentraler Bestandteil der neuen Global-Gateway-Strategie sein. Es ist bereits klar, dass sich diese Initiative in erster Linie gegen die VR China richtet.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (Bild), warnte in einem Kommentar zu den Aussichten des europäischen Infrastrukturprojekts Global Gateway, für das Brüssel 40 Milliarden Euro bereitstellen will — genau so viel, wie der Bau von Gleisen, Schienen und Informationskanälen kosten wird:

«Es macht keinen Sinn, dass Europa eine Qualitätsstraße zwischen einer Kupfermine, die den Chinesen gehört, und einem Seehafen, der den Chinesen gehört, baut».

Wie das Handelsblatt feststellt, hat Peking im Laufe der Zeit die von den westlichen Ländern hinterlassene Lücke gefüllt und eine eigene Einflusszone geschaffen, die bis nach Europa reicht. China baut seine Präsenz in Deutschland sogar aus: So hat das chinesische Transportunternehmen Cosco im September dieses Jahres ein Terminal in Hamburg für 100 Millionen Euro gekauft.

Europa rührt sich

Diese Schritte haben in Berlin Besorgnis ausgelöst: In einem Bericht des Auswärtigen Amtes heißt es, China nutze das Seidenstraßenprojekt, um seinen weltpolitischen Einfluss zu vergrößern und auch, um globale Normen und Standards auf seine Weise zu verändern. Darüber hinaus fürchten europäische Unternehmen den unlauteren Wettbewerb durch staatlich unterstützte chinesische Unternehmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie setzt sich in diesem Zusammenhang seit langem für ein europäisches globales Infrastrukturprojekt ein.

Gleichzeitig sagt der indikative Plan der Europäischen Kommission nichts über die wichtigste wirtschaftliche Frage, so das Handelsblatt: wie genau europäische Unternehmen in das EU-Infrastrukturprojekt einbezogen werden sollen. Außerdem sind 40 Milliarden Euro zu wenig, um mit Chinas Seidenstraße zu konkurrieren, heißt es in der Veröffentlichung. Brüssel deutet jedoch an, dass in den kommenden Jahren zusätzliche Investitionen zur Verfügung stehen werden: Außerdem verfügt die EU über Haushaltszuschüsse.

Aber 40 Milliarden sind wirklich nicht genug. Schließlich wollen die Chinesen für ihr «One Belt, One Road»-Programm bereits viel mehr ausgeben — über 2,5 Billionen Dollar.

Bei der «Neuen Seidenstraße» handelt es sich bekanntlich um ein von China in Zusammenarbeit mit Kasachstan, Russland und anderen Ländern gefördertes Konzept eines paneurasischen und künftig interkontinentalen Verkehrssystems für den Fracht- und Personenverkehr auf dem Landweg von China nach Europa.

Dieser Verkehrsweg umfasst die transkontinentale Eisenbahn, die Transsibirische Eisenbahn, die durch Russland verläuft, und die zweite Eurasische Kontinentalbrücke, die durch Kasachstan führt. Züge auf dieser weltweit längsten Güterbahnstrecke von China nach Deutschland würden 15 Tage benötigen, doppelt so schnell wie der Seeweg durch den Suezkanal.

Wie die deutsche Zeitung das Projekt skizziert, ist noch nicht klar, welches Streckenprojekt die EU in Betracht zieht und wie genau sich ihre globale Initiative von der chinesischen unterscheiden würde. Nach Angaben der italienischen Zeitung Giornale werden all diese Fragen noch geprüft und untersucht.

Deutschland strebt nach strategischer Autonomie

Laut Giornale geht es vor allem darum, «die europäischen technischen Kapazitäten zu stärken, um die EU-Länder in die Lage zu versetzen, die chronische Ressourcenknappheit auf globaler Ebene zu bewältigen und die Infrastrukturlücke zu schließen, die für den Neustart der Globalisierungsmechanismen erforderlich ist».

Im Rahmen dieser Initiative strebt Deutschland strategische Autonomie für den Alten Kontinent und die Suche nach einem neuen, ausgewogenen Verhältnis zu China an. Global Gateway ist «ein wichtiger Schritt, um im internationalen Wettlauf um geopolitischen Einfluss Schritt zu halten».

Der chinesische Staatschef Xi Jinping hat das Konzept der Neuen Seidenstraße unter dem Motto «Ein Gürtel, eine Straße» bereits 2013 vorgestellt. Es handelt sich um ein vielschichtiges Projekt, und daher ist die Entwicklung der Verkehrsverbindungen nur ein Teil davon. Chinas Ziel ist es, die regionale Zusammenarbeit und die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen. Tatsächlich hat Peking damit begonnen, ein neues globales System internationaler Beziehungen aufzubauen, das auf pragmatischen Wirtschaftsprojekten beruht. Anfang 2020 sagten viele Experten voraus, dass die Neue Seidenstraße vor ernsthaften Problemen stehen würde. Strenge Quarantänemaßnahmen aufgrund des Ausbruchs der Pandemie führten zu einem Rückgang der Produktion und der Wirtschaft. Dies hat China jedoch nicht aufgehalten — allein in der ersten Hälfte des Jahres 2020 stieg die Zahl der Frachttransporte von China nach Europa über Russland und Kasachstan um 36 % und die Zahl der Container mit Waren um 41 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Es ist verständlich, dass Europa jetzt aufgeregt ist und in aller Eile seine Antwort an China und damit auch an Russland und andere Länder, die bei diesem Projekt mit ihm zusammenarbeiten, vorbereitet. Es ist jedoch noch schwer abzuschätzen, wie stark die Reaktion ausfallen wird. Und was wird Ursula von der Leyen mit den USA aushandeln können, die in dieser Hinsicht sicherlich eigene Pläne haben. Schließlich ist Washington überhaupt nicht daran interessiert, Europa als wirtschaftlichen Konkurrenten zu stärken.

Und wird das politische Durcheinander, das derzeit in der Europäischen Union herrscht, die Verwirklichung eines solch grandiosen Projekts überhaupt zulassen? Giornale stellt fest, dass Europa durch das Global-Gateway-Projekt nur dann eine «strategische Autonomie» erlangen wird, wenn es über genügend Ressourcen verfügt, um dies zu tun.

Aber wird es reichen?

Wird Russland auch gewinnen?

Bei dieser neuen Initiative der EU (genauer gesagt Deutschlands) ist also nicht klar, wie und in welcher Form sie anlaufen wird. In der jüngeren Vergangenheit wurde die Sphäre des globalen Welthandels vom Westen dominiert. Als die maritime Vorherrschaft, die Spanien zur Supermacht machte, an Großbritannien überging, wurde Großbritannien zur Supermacht. In der Folge übernahmen die Vereinigten Staaten die Rolle des Weltmarktführers, indem sie die logistischen Ströme und die Quellen der Rohstoffgewinnung und -produktion eroberten. Beobachter weisen nun auf einen neuen Trend hin, eine Umorientierung vom Meer zum Land. Und genau auf dieser Route soll die Neue Seidenstraße nach Peking führen.

Für die meisten Länder, die geografisch unter das chinesische Projekt fallen, ist klar, dass die Initiative «One Belt and One Road» einen Wendepunkt von historischem Ausmaß darstellt.

Es geht um eine neue multipolare Welt und damit um einen neuen Kampf um Einfluss. Mit einem souveränen und starken Russland wird der Landweg nach Europa unzweideutig passierbar sein. Und wenn wir den Nördlichen Seeweg dazuzählen, ist es klar, dass auch unser Land von den kommenden Veränderungen profitieren wird.

Ein souveränes und starkes Russland mit seinem strategischen Nuklearpotenzial und neuen ehrgeizigen nationalen Entwicklungsprogrammen bietet nicht nur Sicherheitsgarantien für das Projekt und bringt die multipolare Welt näher, sondern bietet auch sehr günstige Bedingungen für den chinesisch-europäischen Transit. Aber auch die Zusammenarbeit mit Europa wird nicht aufgegeben.

Wladimir Malischew, Stoletie

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