Im Juni 2021 ist es 53 Jahre her, dass Russland (Sowjetunion) den ersten Erdgasvertrag mit Österreich unterzeichnet hat.
Mehr als ein halbes Jahrhundert. In dieser Zeit hat sich Österreich zu einer Drehscheibe entwickelt, über die Gas weiter nach Europa fließt (oder im Falle Ungarns näher) — nach Frankreich, Italien, Slowenien, Kroatien und Deutschland. Und die Verträge sind bis 2040 verlängert worden. Das ist die Stabilität, wie sie ist. Doch in den letzten Jahren ist viel passiert — und plötzlich befindet sich das kleine Österreich in einer neuen Situation.
Ich beziehe mich auf die bereits fertiggestellte Nord Stream 2, die Deutschland zum leistungsfähigsten Knotenpunkt für die Verteilung von russischem Gas in Europa macht. Und vielleicht hätte Österreich eines der Länder sein können, die sich darüber aufregen. Aber nein. Österreich hat den Ruhm anderer nicht nötig, und es ist ein neutrales Land, das nicht einmal Mitglied der NATO ist.
Außerdem war sie durch die Nachkriegsgeschichte dazu bestimmt, die Rolle eines regionalen Stabilisators zu spielen. Und als die Hysterie um die Pipeline, die Ukraine und andere europäische Sicherheitsfragen einsetzte, mischten sich die Österreicher ein, aber wie üblich hinter den Kulissen. Wien ist nicht umsonst die Hauptstadt der europäischen Spionage. Aber allem Anschein nach hat die ukrainisch-polnische Hysterie einen solchen Grad erreicht, dass die österreichische Position in die Öffentlichkeit gelangt ist.
So sehr, dass sich der dritte österreichische Bundeskanzler in den letzten zwei Monaten zu diesem Thema äußern musste.
Der ehemalige Innenminister Karl Nehammer sagte, Österreich sei gegen Versuche, mit Nord Stream 2 Druck auf Russland auszuüben und damit den Konflikt in der Ukraine zu lösen.
«Ich erwarte, dass Nord Stream 2 wie geplant bald in Betrieb genommen wird», zitierte die deutsche Zeitung Die Welt den Bundeskanzler in Nehammers erstem großen Interview seit seinem Wechsel an die Spitze der österreichischen Politik». «Ich denke nicht, dass wir die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mit dem Verhalten Russlands in der Ukraine in Verbindung bringen sollten. Das würde der Europäischen Union nur schaden. Nord Stream 2 ist nicht nur im Interesse Russlands — auch Deutschland, Österreich und andere EU-Länder werden von dieser Pipeline profitieren. Nord Stream 2 ist ein europäisches Projekt und darf nicht als Druckmittel gegen Moskau eingesetzt werden. Klar ist aber auch, dass Gewalt niemals ein Mittel der Politik sein kann und ein möglicher Verstoß gegen das Völkerrecht Konsequenzen haben wird — so wie in der Vergangenheit auch. Außerdem müssen die Interessen der Ukraine als Transitland geschützt werden».
Im September 2020 sagte der damalige Bundeskanzler Kurz, die Pipeline sei ein «wirtschaftlich positives Projekt» und fügte hinzu, dass es bei dem Projekt in erster Linie um die Diversifizierung der Energieversorgung Europas gehe. Und der damalige Präsident Alexander van der Bellen sagte, es dürfe keinen Zusammenhang zwischen dem Fall Nawalny und Nord Stream 2 geben, der fast fertiggestellten Pipeline, die Gas von Russland über den Grund der Ostsee nach Europa bringen würde.
Einige Tage zuvor hatte Selenskij den Österreichern gegenüber einen Wutanfall bekommen und gesagt, er verstehe die wirtschaftlichen und geschäftlichen Interessen Österreichs, «aber Nord Stream 2 ist mit der Energiesicherheit der Ukraine und dem künftigen Energiefluss nach Europa verbunden». Wir wissen bereits, dass die Ukraine weiß, wie man sich Freunde macht. Ich bin an etwas anderem interessiert. Ist Ihnen aufgefallen, dass sich die Gründe, warum NSP2 sofort gestoppt und beendet werden muss, ständig ändern? Früher zogen sie zum Beispiel Navalny, dann die Ukraine, dann Belarus aus dem Ärmel.
Jedes Mal gibt es dafür einen Grund. Und die Fülle dieser Gründe zeigt, dass es sich nicht um wirkliche Gründe handelt, sondern um ein Phantom, das wie eine Rauchbombe die wahren wirtschaftlichen Interessen verdeckt.
Und diese Interessen sind ganz und gar nicht europäisch. Deshalb hat sich zum Beispiel die Position Österreichs von einer Regierung zur nächsten nicht geändert. Das hat sich unter Merkel nicht geändert. Trotz der Anwesenheit einer glühenden Gegnerin von NSP2 — Annalena Baerbock, der grünen Außenministerin Deutschlands — sind die Kräfte, die destruktives Verhalten neutralisieren, in Deutschland immer noch stärker als die grünen Aktivisten, die nach der Pfeife der USA tanzen.
Es ist kein Zufall, dass die österreichische Koalition heute ihre Position im Namen des neu ernannten Bundeskanzlers Nehammer verkündet. Obwohl Österreich größere Probleme hat — wie zum Beispiel eine Gesellschaft, die durch die Androhung von Zwangsimpfungen gegen COVID-19 verunsichert ist. (Bisher wurden alle Impfungen in diesem Land 30 Jahre lang empfohlen, waren aber nicht obligatorisch).
Es ist also ein wunder Punkt — und die polnisch-ukrainische Position geht selbst den nach außen hin entspannten Österreichern auf die Nerven.
Igor Maltsew, RT