Während Berlin bereit ist, Nord Stream 2 zu blockieren, schießen die Preise in die Höhe. Wie das Statistikamt vor kurzem mitgeteilt hatte, verdoppelten sich etwa die Heizölpreise von November 2020 bis November 2021. Auch die Preise für Erdgas (plus 9,6 Prozent) und Strom (plus 3,1 Prozent) erhöhten sich.
Teils waren die Steigerungen der niedrigen Preise in den ersten Monaten der Corona-Krise geschuldet, teils aber auch den Steuererhöhungen und den Folgen der sogenannten Energiewende.
Die steigenden Energiepreise könnten die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlassen, ihre bisherige Geldpolitik zu überdenken. Laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel führe die Wende hin zu erneuerbaren Energiequellen möglicherweise mittelfristig zu höherer Inflation.
«Die Geldpolitik kann es sich nicht leisten, über Energiepreissteigerungen hinwegzusehen, wenn diese ein Risiko für die mittelfristige Preisstabilität darstellen.»
Die Inflation im Euroraum war im Dezember auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Dienstleistungen und Waren kosteten in dem Monat durchschnittlich fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor, was den höchsten Wert seit Beginn der Statistik 1997 bedeutet. Hatten die Währungshüter zunächst betont, bei der aktuellen Inflation handle es sich lediglich um ein kurzzeitiges Phänomen, waren zuletzt die Stimmen lauter geworden, die vor einer länger anhaltenden Teuerung warnten.
Der Volkswirt Thomas Mayer zeigte sich daraufhin verwundert:
«Noch vor ein paar Wochen behauptete Frau Schnabel, die Inflation sei eher zu niedrig, als zu hoch – jetzt rudert sie zurück.» Schnabel habe offenbar kalte Füße bekommen. Anders ist ihre 180-Grad-Wende nicht nachzuvollziehen. Es ist merkwürdig, daß die EZB die steigenden Energiepreise offenbar erst jetzt als große Inflationsgefahr erkennt, denn sie steigen ja bereits seit vielen Monaten.»
Laut den Expertenschätzungen könnten mit einer baldigen Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 und einer Vergrößerung von Lieferungen aus Russland die Gaspreise in Europa sinken.
Wenn die Pipeline Nord Stream 2 in nächster Zeit freigegeben würde, würde dies zu einer sofortigen Herabsetzung der Gaspreise führen, sagte der Analytiker von BCS Global Markets, der Investitionsbank der Finanzgruppe BCS, Ronald Smith. Zwar werde die Balance zwischen Nachfrage und Angebot keine nennenswerten Änderungen erfahren, wobei Europa wie bislang mit einem Gasmangel konfrontiert sein werde. Aber das Risiko, dass die Lieferungen nach Europa eingestellt würden, könnte sinken, so der Experte.
Die Aufnahme der Gaslieferungen durch Nord Stream 2 könnte die Situation mit dem Gasangebot verbessern, und zwar nur in Verbindung mit neuen Lieferverträgen, meinte der stellvertretende Generaldirektor des Fonds für nationale Energiesicherheit, Alexej Griwatsch.
Die Inbetriebnahme der Gasleitung würde die Preise für „blauen Brennstoff“ senken, es sei aber schwer zu sagen, um wie viel, denn dies hänge von vielen Faktoren ab.