Sich mit politkorrekten Gesinnungswächtern anlegen oder eine Investition in dreistelliger Millionenhöhe in den Schornstein schreiben – die Joe-Rogan-Kontroverse hat den schwedischen Audio-Abspieldienst „Spotify“ vor das klassische Dilemma linker Zensurforderungen gestellt. Das Internet-Unternehmen entschied sich für die kaufmännische Vernunft.
Vor die Wahl gestellt, Zugpferd Joe Rogan wegen mißliebiger Interviewgäste zum Schweigen zu bringen oder auf die Titel von Musiker-Veteran Neil Young zu verzichten, entschied Spotify sich zugunsten des populären Moderators, dessen Format „The Joe Rogan Experience“ zu den meistgehörten Internet-Sendungen überhaupt gehört. Rogan hat über elf Millionen Abonnenten, doppelt so viele wie Neil Young, und für die exklusive Ausstrahlung seiner Sendung hat der Audiodienst erst im vergangenen Jahr hundert Millionen Dollar bezahlt.
Der Druck ist gleichwohl enorm. Dem Erpressungsversuch des 76jährigen Alt-Musikers war ein offener Brief von 270 Personen aus Wissenschaft, Medizin und Gesundheitspolitik vorangegangen, die sich darüber beschwerten, daß Rogan auch Kritiker der Corona-Impfkampagne wie den mRNA-Pionier Robert Malone zu Wort kommen ließ.
Zugangsbeschränkungen stören die Medienplattformen
Die Causa Rogan scheint vorerst zugunsten der Meinungsfreiheit entschieden, auch wenn Spotify künftig Covid-Beiträge mit „Hinweisen“ versehen will und Rogan sich bereit erklärte, bei kontroversen Themen auch Gegenpositionen zu Wort kommen zu lassen – ein Großmut, der jenen, die ihn mundtot machen wollten, durchaus abgeht. Die Pandemie der Zensurbegehren im weltweiten Netz grassiert gleichwohl weiter.
Zensur im klassischen Sinne ist mit staatlichen Akteuren verknüpft, die mit den Mitteln der Staatsgewalt Presse-, Rede-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit einzuschränken suchen. Das Zensurverbot in Artikel 5 des Grundgesetzes ist, wie der gesamte Grundrechtskatalog, als bürgerliches Abwehrrecht gegen staatliche Übergriffe und Willkür und gegen exzessive Regulierungswut der Exekutive konzipiert. Öffentlichkeit und Kommunikation haben sich seither grundlegend verändert, und es sind neue Akteure hinzugekommen.
Das sind zum einen zivilgesellschaftliche Einflußnehmer, die im Kampf um Macht und Diskurshoheit im vorpolitischen Raum in der Ausschaltung konkurrierender Ansichten und ihrer Ideologie zuwiderlaufender Fakten ihre schärfste Waffe sehen. Dem gegenüber steht die Marktmacht der großen Plattformen und Diensteanbieter, von denen einige als De-facto-Monopolisten darüber entscheiden können, wer noch Zugang zu dem von ihnen kontrollierten Sektor des öffentlichen Diskurses erlangt. Zugangsbeschränkungen liegen freilich nicht im Eigeninteresse dieser Akteure. Ihre Währung ist Reichweite und Frequenz; je mehr Teilnehmer bei ihnen aktiv sind, je mehr Inhalte sie verbreiten und Kommunikation generieren, desto besser für das Geschäft. Ein Zensurproblem wächst und entsteht in dem Maße, wie linke Einflußgruppen gesellschaftliche Macht und kulturelle Diskurshegemonie erlangen.
Linke wollen den Verbotsrahmen enger ziehen
Daß Zensur heute ein linkes Kernanliegen ist, überrascht nur auf den ersten Blick. Zu linker Ideologie gehört untrennbar der Anspruch, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein. Das schließt die Unduldsamkeit gegenüber abweichenden Meinungen und gegenüber der Realität, sobald sie der eigenen Weltanschauung im Wege steht, mit ein. Die „repressive Toleranz“ des Frankfurter-Schule-Marxisten Herbert Marcuse, die den jeweils zu „Feinden der Toleranz“ erklärten Gegnern eben jene abspricht, ist die Blaupause linker Zensur.
Der stehen freilich nicht nur die Marktinteressen von Diskursteilnehmern, Medien und Kommunikationsplattformen entgegen, sondern auch rechtsstaatliche Normen und Kontrollinstanzen, die ursprünglich als Bollwerk gegen willkürliche Beschränkungen bürgerlicher Freiheiten errichtet worden waren. Um diese Bollwerke auszuhöhlen und zu schleifen, bedarf es massiver gesellschaftlicher Kampagnenmacht und, in einer weiteren Eskalationsstufe, der Indienstnahme staatlicher Macht, um Wohlverhalten zu erzwingen.
In einem ordnungspolitisch freiheitlich organisierten Gemeinwesen findet die Meinungsfreiheit im öffentlichen Diskurs ihre Grenzen lediglich im Strafrecht. Beleidigungen, Gewaltaufrufe oder die Mobilisierung zu Straftaten sind in den klassischen, analogen und elektronischen Medien ebenso sanktionierungswürdig wie in den neuen netzbasierten Medien. Um den Verbotsrahmen enger zu ziehen, zielt linke Zensur darauf, diesen engen Rahmen aufzuweichen und auszuweiten: durch neue, unbestimmte Gesinnungsdelikte und Gummidefinitionen wie „Diskriminierung“, „Haß und Hetze“, die der Willkür in der Auslegung Tür und Tor öffnen, sowie durch neue Betätigungsfelder wie die Bekämpfung von „Falsch“- und „Fehlinformationen“, wobei es den Inhabern der Diskurshoheit vorbehalten bleibt, festzulegen, welche Informationen, Bewertungen und Fakten „richtig“ oder „falsch“ seien und als „wissenschaftlich“ zu gelten hätten.
Zensur stößt an ihre Grenzen
Das Ergebnis läßt sich besichtigen in einander sich jagenden Kampagnen gegen unbekannte wie prominente Abweichler, um ihnen Kommunikationsmittel und öffentliche Existenz, Einnahmemöglichkeiten, Kunden und Geldgeber zu entziehen und ihre Ansichten zu ächten und zum Verschwinden zu bringen. „Faktenchecker“ treten als neue Form privater Zensoren auf, unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit von einschlägigen Einflußgruppen oder staatlichen Stellen beauftragt. Zensurgesetze wie das deutsche „NetzDG“ delegieren ungeniert Zensur zugunsten der Inhaber der Diskurshegemonie an private Akteure, so daß die staatlichen Strukturen weiter ihre Hände in Unschuld waschen können.
Aber auch dieses Modell stößt an Grenzen. Sogar eine linientreue SPD-Innenministerin muß einsehen, daß man einen konsequent unzensierten Kommunikationsdienst wie Telegram nicht einfach „abschalten“ kann, ohne totalitäre Kontrollstrukturen wie in Chinas KP-Einparteiendiktatur einzuführen. Plattformen wie Twitter, Google, TikTok, Facebook oder Instagram wehren sich vor Gericht gegen die überzogene Inanspruchnahme durch deutsche Zensurgesetze. Sie stehen unter dem Druck neuer Plattformen wie „Gettr“ oder „theplattform“, die das von anderen gebrochene Versprechen der Meinungsfreiheit einlösen.
Am Ende wiederholt sich die Erfahrung, die Zensoren noch zu allen Zeiten machen mußten: Der Freiheitsdrang und Einfallsreichtum der Zensierten ist auf Dauer stärker als jeder Gesinnungszwang.