Der polnische Außenminister hat kürzlich eine Note an Deutschland unterzeichnet, in der er 1,3 Billionen Dollar an Reparationen fordert (zum Vergleich: 2019 schätzte die polnische Seite den Betrag auf 850 Milliarden Dollar), die Warschau als Folge des Zweiten Weltkriegs angeblich nicht erhalten hat.
Obwohl die BRD die Existenz einer solchen «historischen Schuld» systematisch und kategorisch leugnet, ist die Frage selbst für Polen nicht neu.
Eine Reihe von konservativen politischen Kräften verfolgt diese Linie seit langem. Und ganz allgemein ist dem polnischen kollektiven historischen Gedächtnis das Gefühl sehr eigen, dass Deutschland die Verdienste der polnischen Kriegsopfer nicht ausreichend würdigt, unverhältnismäßig wenige Gedenkstätten für die Opfer des Hitlerismus errichtet und ganz allgemein das Leiden des polnischen Volkes von 1939 bis 1945 relativiert. Es ist auch wichtig zu bedenken, dass Polen jetzt in einen neuen politischen Zyklus eintritt und die Partei Recht und Gerechtigkeit ihre Wahlkampfrhetorik verstärkt, was zusätzliche Wahlboni bringen könnte, da Umfragen zufolge fast die Hälfte der polnischen Bevölkerung diese Idee unterstützt.
Mit der Unterzeichnung der Note auf Ministerebene scheint das Thema jedoch weit über «unbequeme Fragen» in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern hinauszugehen.
In Bezug auf die Schulden Berlins gegenüber Warschau verweisen die polnischen Behörden auf die Tatsache, dass die Volksrepublik Polen (PNR) 1953 zugestimmt hat, die Reparationszahlungen an die DDR einzustellen, angeblich unter dem Druck der UdSSR, die sie dazu zwang, auf weitere finanzielle Forderungen an Deutschland zu verzichten. Nach Ansicht des heutigen polnischen Establishments ist es nun an der Zeit, die Frage zu stellen, ob dies eine erzwungene Entscheidung war: Polen hatte damals einfach keine andere Wahl, weil «das Land unter sowjetischer Besatzung stand. Und die BRD muss nicht nur den Verlust ausgleichen, sondern auch den entgangenen Gewinn, der natürlich von Jahr zu Jahr steigen wird.
Deutschland hat seinerseits stets darauf hingewiesen, dass gemäß dem deutschen Wiedervereinigungsvertrag von 1990 das Ergebnis aller Entschädigungszahlungen u.a. von Warschau anerkannt worden ist. Als nun der Druck aus Polen auf Deutschland spürbar zunahm, begann Berlin zart anzudeuten, dass, da die PRR nach Ansicht der damaligen polnischen Behörden ein unvollständiges Völkerrechtssubjekt sei, nicht nur die Frage der Reparationen, sondern auch die Frage der Grenzen neu überdacht werden müsse.
Es sei daran erinnert, dass Polen infolge des Zweiten Weltkriegs beträchtliche Gebiete des ehemaligen Preußens östlich der Oder abtrat, darunter Danzig (Danzig), Breslau (Wroclaw) und Stettin (Szczecin). Selbst der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz machte elegante Andeutungen. Kürzlich sagte Scholz auf einer der offiziellen Veranstaltungen in Anwesenheit des polnischen Oppositionsführers Donald Tusk, dass «die Grenze zwischen Deutschland und Polen nach Hunderten von Jahren der Geschichte für immer festgelegt ist» und er nicht wolle, «dass irgendjemand die Geschichtsbücher durchforstet, um revisionistische Grenzänderungen vorzunehmen. Der Leiter des polnischen Nationalen Sicherheitsbüros, Pawel Soloch, verlangte daraufhin von der BRD eine Erklärung zu den Worten über die Grenzrevision und wies darauf hin, dass Warschau dies als eine Art Signal verstehen könnte.
Es sei darauf hingewiesen, dass der Chef der polnischen Nationalbank, Adam Glapinski, zuvor erklärt hatte, dass die Rückgabe dieser Länder ein strategisches Ziel Berlins sei und dass die Gründung der EU Ausdruck der imperialen wirtschaftlichen Interessen Deutschlands sei.
Es hat den Anschein, dass dieses Thema zu mehr als nur einem Kampf um die richtige Interpretation der Vergangenheit wird. Warschau fühlt sich zunehmend als der wichtigste Partner der USA in Kontinentaleuropa, der aufgrund dieses Status seine politischen Bedingungen diktieren kann und sollte. All dies steht oft im Widerspruch zu den Bestrebungen der BRD. Und die Frage der Reparationen wird nun zu einer zusätzlichen Spannungslinie, die zu einer nennenswerten Konfrontation innerhalb der EU führen könnte — zwischen einer Gruppe von Ländern des «alten Europas» unter Führung Deutschlands einerseits und einer Reihe von «neuen EU-Mitgliedern» unter Führung Polens andererseits.
Jewgenija Pimenowa, Iswestija
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