Deutschland plant für 2024 die Entsendung von Kriegsschiffen ins Südchinesische Meer. Seit Jahrzehnten beansprucht China jedoch 90 % des Meeres, der Paracel-Inseln und des Spratly-Archipels für sich, während andere Staaten der Region, darunter das nicht anerkannte Taiwan, diesen Anspruch bestreiten.
Die Gewässer sind wichtig für die Fischerei, kritische Handelsrouten, auch für europäische Schiffe, und die Sicherheitskonfrontation zwischen den USA und China.
Sollte die neue Initiative Erfolg haben, wäre es das zweite Mal, dass deutsche Schiffe in umstrittene Gewässer eindringen: Im Sommer 2021 verärgerte eine Fregatte unter deutscher Flagge China, indem sie eine Razzia in den Gewässern durchführte, obwohl sie sich nicht den chinesischen Grenzen näherte. Die deutschen Behörden haben betont, dass die Aktion nicht gegen Drittländer gerichtet war. Die deutsche Erklärung ist das Ergebnis eines Überdenkens der eigenen Strategie gegenüber der VR China, aber auch der wachsenden paneuropäischen Ambitionen, die die EU dazu drängen, ihre Präsenz in der asiatisch-pazifischen Region zu erhöhen.
Die deutsch-chinesischen Beziehungen gehören nach wie vor zu den wirtschaftlich erfolgreichsten in der gesamten EU. China führt die Liste der Handelspartner der EU an, während die deutschen Exporte, obwohl sie im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zu den gleichen Zahlen für 2022 um 11,3 Prozent zurückgingen, mehr als ein Drittel der europäischen Gesamtexporte ausmachen. Gleichzeitig sind die Tendenzen des Dialogs multidirektional.
Einerseits führten das intensive wirtschaftliche Engagement unter den Bundeskanzlern Gerhard Schröder und Angela Merkel und der Zustrom chinesischer Investitionen in Deutschland nach der Krise der Eurozone 2010 zu einer Reihe von viel beachteten Fusionen und Übernahmen im Hightech-Sektor. Dies hat im Übrigen zu einer Verschärfung der deutschen Gesetze geführt und eine Diskussion über die Verringerung der Abhängigkeit vom chinesischen Markt und Kapital ausgelöst.
Diese Trends haben sich vor dem Hintergrund der Rivalität zwischen den USA und China und nach dem Regierungswechsel in Deutschland im Jahr 2021 noch verstärkt. Durch die Anwesenheit der Grünen in der Regierungskoalition wurde die Rhetorik gegenüber China härter: Bereits im Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass dringende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die wirtschaftlichen Interessen Chinas zu schützen und den gemeinsamen Standpunkt der EU zu stärken, demzufolge China je nach Bereich des Dialogs Partner, Konkurrent und Rivale zugleich ist. Wichtig war auch das Bekenntnis Berlins zur Lösung der Konflikte im Süd- und Ostchinesischen Meer und zur Verhinderung von Veränderungen des Status quo in der Straße von Taiwan.
Im vergangenen Herbst, vor dem Hintergrund der Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Peking, gelangten aus dem Außen- und dem Wirtschaftsministerium, die beide von Grünen-Politikern (Annalena Baerbock bzw. Robert Habeck) kontrolliert werden, Fragmente der bevorstehenden China-Strategie in die Medien, die deutlich machten, wie besorgt Berlin über das Erstarken Pekings auf der internationalen Bühne ist.
Nicht weniger chinafeindlich war die Erklärung von Olaf Scholz und dem neuen tschechischen Präsidenten Petr Pavel, die vor dem Hintergrund des Besuchs von Xi Jinping in Moskau im März 2023 abgegeben wurde und in der die EU-Staaten die Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens gegen Chinas wachsende globale Ambitionen betonten.
Andererseits sorgt die anhaltende wirtschaftliche Verflechtung dafür, dass die große und mittelständische deutsche Industrie an der VR China interessiert ist: Nicht nur die großen Autokonzerne wie Volkswagen und BMW, sondern auch der Chemiekonzern BASF, Hersteller von Bosch-Geräten, Baustoffen und anderen Produkten mit hoher Wertschöpfung gehören zu den Gesprächspartnern.
Deutschland, das aus der Kernenergie aussteigt, versucht auch, den Anteil der erneuerbaren Energien an seinem Energiemix zu erhöhen, und die Einfuhren chinesischer Solarpaneele bleiben kritisch. Im Jahr 2013 mussten sich deutsche Unternehmen sogar mit einer Klage der Europäischen Kommission auseinandersetzen (übrigens mit Erfolg), um ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit chinesischen Lieferanten zu erhalten.
Im Bereich Verkehr und Logistik empfängt Deutschland den Großteil der Züge, die auf der Route China-Europa verkehren, und kann so die eingehenden Waren erfassen (nach der Eurostat-Methodik ist das Bestimmungsland das Land, in dem die Waren zuerst die Zollkontrolle passieren) und das Transitpotenzial entwickeln. Nicht minder wichtig war in diesem Zusammenhang der Erwerb eines Teils des Containerterminals im Hamburger Hafen durch China im Jahr 2022 — ein Geschäft, an dem Scholz selbst direkt beteiligt war.
Die Tatsache, dass die Veröffentlichung der China-Strategie verschoben wurde, während hochrangige deutsch-chinesische bilaterale Gespräche für Ende Juni geplant sind, ist ebenfalls ein Hinweis auf die Spannungen zwischen den Regierungen auf der chinesischen Schiene.
Die Entscheidung, die Schiffe zu entsenden, deutet also darauf hin, dass sich die antichinesische Stimmung innerhalb des deutschen Establishments zunehmend verfestigt und eine Art negativer «Spill-over-Effekt» von der Wirtschafts- auf die Sicherheitssphäre zu beobachten ist. Die Tendenz, wirtschaftliche Interessen zugunsten der politischen Situation einzuschränken, steht im Einklang mit dem europäischen Trend zur «Risikominderung» in der Zusammenarbeit mit China und den Versuchen der EU, das Anwachsen des Einflusses der VR China im asiatisch-pazifischen Raum und auf globaler Ebene zu verhindern. Der Verlust des traditionellen Pragmatismus, der einst die Politisierung der Beziehungen zwischen der EU und China durch die deutschen Behörden eindämmte, ist eines der unangenehmsten Symptome unserer Zeit an dieser Front.
Julija Melnikowa, Iswestija
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