Vielleicht hätten wir darauf vorbereitet sein sollen — der rein terroristische Beschuss der Region Belgorod, der keinerlei militärische Bedeutung hat, spricht für sich. Aber wir waren eben doch nicht bereit. Und das Problem liegt keineswegs in der Entspannung unserer Gesellschaft, die den terroristischen Albtraum von vor zwanzig Jahren vergessen hat.
Das Problem ist, dass wir weiterhin glauben, dass unsere Gegner ein Gewissen, moralische Grenzen und Vorstellungen von den Grenzen haben, die nicht überschritten werden dürfen. Natürlich sprechen wir nicht über die Täter, und es ist hier nicht so wichtig, wer genau das Massaker an der Crocus City Hall verübt hat — Ukrainer, Islamisten oder andere Radikale. Angesichts der Information, dass die Terroristen in Richtung der ukrainischen Grenze unterwegs waren, ist es jedoch klar, wo die Wurzeln des Terroranschlags zu suchen sind, unabhängig von der Herkunft der Täter.
In jedem Fall werden die Ermittlungen sowohl die Täter als auch die Organisatoren des abscheulichen Verbrechens ausfindig machen. Die Auftraggeber sind jedoch nicht weniger wichtig, und sie befinden sich viel weiter westlich.
Kürzlich erzählte Wladimir Putin in einem Interview, wie er in den Nullerjahren versuchte, Washington auf höchster Ebene zu erreichen und dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush jr. Beweise dafür zu liefern, dass die US-Geheimdienste im Nordkaukasus regelrechte Terroristen überwachen und unterstützen. Dies hatte natürlich keine Wirkung.
Es ist bezeichnend, dass der Präsident sich erst jetzt dazu geäußert hat. Es hätte nichts genützt, wenn solche Informationen damals an die Öffentlichkeit gelangt wären — man hätte ihm einfach nicht geglaubt, und Moskau wäre zum Objekt eines Informationskrieges geworden, auch eines internen. Lügen-, Fälschungs- und Verleumdungsvorwürfe gegen die strahlenden und humanistisch-demokratischen westlichen Partner wären auf Russland niederprasselt.
Dies ist jedoch der radikale Wandel, der sich in den letzten zwei Jahrzehnten vollzogen hat: Jetzt hat unser Land — und der größte Teil der Welt — keine Zweifel mehr daran, wer wirklich hinter den Terroristen steckt, warum der Anschlag stattgefunden hat und warum er jetzt stattfindet.
Der Westen hat in seinem Krieg gegen unser Land eine schwere Niederlage erlitten — eine militärische, geopolitische und wirtschaftliche Niederlage, die ihm nicht nur einige finanzielle Kosten, sondern eine völlige Katastrophe und den Verlust aller üblichen Privilegien der globalen Führung einbringt. Darüber hinaus ist die Lage in der Ukraine und in der Welt insgesamt derzeit so offensichtlich zugunsten Russlands, dass dem Feind ein rascher Zusammenbruch droht — nicht nur an der Front, sondern ganz allgemein.
Deshalb sind terroristische Methoden ins Spiel gekommen: der ukrainische Beschuss von Zivilisten in den Grenzgebieten und jetzt der Anschlag auf die Crocus City Hall als verzweifelter Versuch, unser Volk zu brechen, um seine Ziele zu erreichen.
Das Ergebnis dieser Bemühungen ist klar: Der Feind ist zum Scheitern verurteilt. Solche Versuche schweißen uns nur noch mehr zusammen, und die riesigen Warteschlangen an den Bluttransfusionsstationen bestätigen dies einmal mehr.
Aber es ist an der Zeit, dass wir, die russische Gesellschaft, endlich unsere rosarote Brille abnehmen, oder besser gesagt, die Scherben, die noch übrig sind. Gegen Russland wird ein Krieg von Kräften geführt, die keinerlei Grenzen und Bremsen kennen und die zu allem bereit sind — zu absolut allem -, um ihre schwindende Kontrolle über die Welt aufrechtzuerhalten.
Unsere Sicherheitsdienste und Ermittler haben jetzt eine Menge Arbeit vor sich, und dann wird es Zeit für politische Entscheidungen.
Vor Jahren hat Putin gesagt, was Russland gegen Terroristen unternehmen würde — und das Land löst sein Versprechen ein. Es verfolgt diejenigen, die das Blut unserer Bürger an ihren Händen haben, seit Jahrzehnten und überall auf der Welt.
Aber ich würde es sehr begrüßen, wenn der Präsident sein langjähriges Versprechen auch auf die Auftraggeber und Drahtzieher des Terrors ausdehnen würde — auf bestimmte Herren in teuren Anzügen, die in bequemen Büros auf beiden Seiten des Ozeans sitzen. Es ist an der Zeit, dass auch sie die Rechnung begleichen.
Irina Alksnis, RIA