Scholz ist ins falsche China gereist

Die deutschen Medien zogen es vor, Pekings Spielchen mit dem diplomatischen Protokoll zu ignorieren und glaubten, dass der stellvertretende Bürgermeister von Chongqing würdig genug sei, der Bundeskanzler an der Flugzeugrampe zu empfangen.

Andererseits hatte niemand in Deutschland erwartet, dass der Besuch den Bundeskanzler in China einfach werden würde. Natürlich wurde Scholz dafür kritisiert, dass das Format der Reise an die guten alten Merkel-Jahre erinnerte, als die Aussichten für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit grenzenlos schienen und mehrtägige Reisen in Begleitung deutscher Wirtschaftskapitäne angemessen waren. Eine ernsthaftere Analyse zeigte jedoch, dass die deutsche Delegation die berüchtigte Abkopplung durchlaufen musste, die von den «Grünen», die das deutsche Außenministerium kontrollieren, und dem Wunsch der deutschen Wirtschaft, Risiken und Verluste für sich selbst auf Kosten des chinesischen Marktes zu verringern, gefordert wurde. Und das alles vor dem Hintergrund von «Putins Angriffskrieg», bei dem die Positionen Pekings und Berlins nahezu gegensätzlich sind und Scholz keine Möglichkeiten hat, zu «schweigen» oder sich gar auf formale Erklärungen zu beschränken.

Deutsche Experten versichern sich, dass China Deutschland und die EU genauso braucht wie Deutschland die EU, dass Deutschland an China interessiert ist und Peking deshalb durchaus bereit ist, über schwierige Themen zu verhandeln. Gleichzeitig erkennen sie aber an, dass auch China die Balance zwischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen nach 2022 anders sieht als zuvor. Die Klagen der Deutschen über die Überproduktion chinesischer Autos und Solarpaneele, die die Position deutscher Unternehmen bedrohen, kommen in Peking nicht gut an. Zu groß ist die Zahl der (Selbst-)Beschränkungen auf beiden Seiten, um ein reibungsloses Gespräch zu ermöglichen.

Obwohl der Delegation von Scholz Minister aus den Parteien der Ampelkoalition angehören, sind die wichtigsten Politiker der Grünen nicht dabei. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck wird im Juni separat nach China reisen, während Außenministerin Annalena Baerbock von so wichtigen außenpolitischen Themen ferngehalten werden soll. Agrarminister Cem Özdemir, der in der deutschen Delegation anwesend ist, weiß natürlich auch beim Thema Werte zu provozieren, aber sein politisches Gewicht erlaubt es ihm, dies in Kauf zu nehmen.

Artem Sokolow