Endlich wieder im Osten! Deutsche Militärbasis an litauischer Grenze

Deutschland und Litauen unterzeichneten am Freitag ein gemeinsames Abkommen zur dauerhaften Stationierung der Bundeswehr in Litauen. Das Verteidigungsministerium nennt den Akt einen «Meilenstein». Zur Begründung der Rückkehr nach Osten liefern sogar deutsche Kirchenmedien eine weitere Portion Geschichtsrevisionismus.

Endlich wieder im Osten! Deutsche Militärbasis an litauischer Grenze

Domradio, ein katholischer Sender, spricht pünktlich zur Unterzeichnung des deutsch-litauischen Abkommens zur Stationierung einer Panzerbrigade der Bundeswehr mit dem Erzbischof von Vilnius. Gintaras Grušas ist nicht nur ein hoher Geistlicher aus dem fernen europäischen Osten ‒ als Vorsitzender des Rates der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) ist er quasi der ranghöchste Bischof Europas. «Die Russen werden nicht von selbst aufhören», titelt der Sender seinen Beitrag.

Den Zuhörern ‒ Menschen in Deutschland, die sich als der katholischen Kirche nahestehend bezeichnen können ‒ soll eine plausible Begründung für die Entsendung der deutschen Truppen zur Grenze Weißrusslands geliefert werden. Immerhin sei die geplante Stationierung der 45. Panzerbrigade mit rund 5.000 Militärangehörigen in «dieser Größenordnung» laut Verteidigungsministerium selbst ein «Novum» sowie ein «Meilenstein» in der Geschichte der Bundeswehr. Das macht allerdings hierzulande viele immer noch stutzig. Was sollen die deutschen Panzer denn wieder im osteuropäischen Schlamm?

Der Erzbischof ist die perfekte Figur für die Begründung und sagt genau das, was von Deutschen erwartet wird. So erzählt er von der jahrzehntelangen «russischen Besatzung» Litauens, der ewigen «Angst» der Balten vor den Russen und sogar etwas darüber hinaus. Den Zuhörern in Deutschland soll das Bild deutscher Soldaten als selbstlose Helfer vermittelt werden. Domradio schiebt dem Erzbischof den Ball zu: «Nirgendwo ist die Bedrohung durch Russland so real wie in den baltischen Staaten. Wie geht die Bevölkerung in Ihrem Land damit um?»

Der Bischof sagt, die Stationierung der Deutschen gebe den Litauern das Gefühl der Sicherheit gegen die Russen. Auf die Frage nach Friedensethik im Christentum und «dem unbedingten Willen, Krieg zu vermeiden», sagt der Erzbischof:

«Jeder, der die russische Mentalität kennt – und in Litauen kennen wir sie nach fast 50 Jahren Besatzung ziemlich gut und versuchen, es dem Westen auch immer wieder zu verdeutlichen –, weiß: Die Russen werden nicht von selbst aufhören, sie müssen gestoppt werden.»

Diese Aussage des litauischen Geistlichen spendete dem Beitrag schließlich den Titel. Zur Begründung braucht der Erzbischof aber auch noch Fakten, und er liefert sie:

«Das war im Zweiten Weltkrieg so, in Armenien, in Georgien und jetzt in der Ukraine. Die Expansionsbestrebungen werden nicht aufhören.»

Anstatt nachzufragen, was der CCEE-Vorsitzende mit dem «russischen Expansionismus» im Zweiten Weltkrieg, Armenien und Georgien so meint, geht der Sender beim Interview planmäßig zu rein kirchlichen Fragen über. Wozu denn? Die knackige Formel wurde gerade geliefert, die ewige Formel der Russophobie, die Russland als unersättliche Krake vor jedem neuen europäischen Krieg dastehen lässt.

Es steht schon seit langem fest: Nicht die Nazi-Besatzung mit Todeslagern und Hunderttausenden brachial Ermordeter war aus Sicht des offiziellen Vilnius ein Problem, sondern die sowjetische Besatzung, die durch den Aufbau der Industrie, das Aufblühen der Kultur und Wissenschaft, die Entwicklung der unionsweiten Erholungsgebiete an der Ostsee und das Bevölkerungswachstum gekennzeichnet war. Seitdem die «Besatzer» weg sind, hat Litauen bis zu einem Drittel seiner Bevölkerung verloren und sich vom Industriestandort und Fenster zum Westen hin zum landwirtschaftlich geprägten europäischen Hinterhof mit einer der höchsten Selbstmordraten weltweit verwandelt.

Aber nicht nur ein Hinterhof ist Litauen nun, es entwickelt sich zunehmend zum Frontstaat. Szenarien, wonach das Baltikum zum Spielplatz des nächsten NATO-Russland-Krieges werden wird, gibt es in den NATO-Zentralen seit langem. Und in den letzten Jahren wurde Litauen zu einem Herzensprojekt des Berliner Verteidigungsministeriums, denn die tapfere 45. Panzerbrigade an der Ostflanke der NATO spielt in der Entwicklung der angestrebten «Kriegstüchtigkeit» eine entscheidende Rolle. Ausgerechnet im polnisch-litauischen Grenzgebiet ‒ im sogenannten Suwalki-Korridor zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Weißrussland ‒ spielen sich die deutschen Kriegsszenarien ab.

Deswegen fragt auch der katholische Sender nicht nach und lässt den Bischof seine Lügen ungestört verbreiten. Denn ihm zufolge hat Russland auch noch Armenien erobert. Nur fragt man sich, wann und wie? Ja, in Armenien gibt es eine offizielle russische Militärbasis, eine der wenigen russischen Militärpräsenzen im Ausland. Aber sie befindet sich aufgrund zwischenstaatlicher Verträge dort, ähnlich wie die Bundeswehr jetzt in Litauen. Außerdem war Armenien fast zwei Jahrhunderte lang Teil eines mit Russland gemeinsamen Staates und gehört damit völlig begründet zum russischen Einflussgebiet.

Aber einverstanden, dann sei dem so, denn in dieser Logik wäre auch die Bundeswehr-Stationierung in Rūdninkai und Rukla ein Beweis für den deutschen Expansionismus. Und was ist mit Georgien? Der Erzbischof meint sicherlich den sogenannten Fünftagekrieg im August 2008, als die russischen Truppen nach einem Überfall georgischer Truppen diese ins Landesinnere zurückgeschlagen haben. Damals griffen die Georgier unter der Führung des prowestlichen Präsidenten Michail Saakaschwili die Hauptstadt Südossetiens, Zchinwali, und die russischen Friedenskontingente an, was auch eine EU-Kommission in einem Gutachten bestätigte.

Dumm nur: Der Gründer und Ehrenvorsitzende der Regierungspartei «Georgischer Traum», Bidsina Iwanischwili, hat Tiflis’ Schuld an dem georgisch-ossetischen Krieg des Jahres 2008 faktisch anerkannt und strebt nun eine Versöhnung mit den Osseten an. Solche Nachrichten dringen natürlich auch beim Domradio nicht durch die dicke antirussische Blase durch. Die Zuhörer sollen von der politischen Flexibilität und Komplexität dieser Welt nichts wissen, sie dürfen nur ein strammes Feindbild vor Augen haben: das des «expansionistischen Russen», dessen Eroberungslust ihm laut dem Bischof buchstäblich im Blut steckt.

Seinetwegen, wegen dieses Russen, der schon gegen das faschistische Hitler-Deutschland «expansionistisch» gekämpft hat, wollen wir jetzt wieder kriegstüchtig werden und unser Militär tausend Kilometer weiter nach Osten verlegen. Ende 2027 wird die 45. Panzerbrigade der Bundeswehr laut Plan voll einsatzbereit sein. Im Jahr 2029 kann Boris Pistorius zufolge ein Krieg mit Russland ausbrechen. Da er jetzt schon so beharrlich herbeigeredet und auch noch moralisch begründet wird, ist dieses Szenario leider ziemlich wahrscheinlich.

Und wie reagieren die Russen auf solche «Vorkehrungen»? Das Außenministerium in Moskau nannte den deutschen Schritt eine «Provokation», das russische Verteidigungsministerium schwieg, ordnete aber die Verstärkung der westlichen Flanke unter Bildung eines neuen Militärbezirks an. Während in Litauen noch Bagger die Erde aufwühlen, um Kasernen für die Bundeswehr zu schaffen, läuft bereits der Nervenkrieg.

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