Angela Merkel kritisiert Putins Führungsstil: Er habe Russland zwar in die Marktwirtschaft geführt, aber die Russen hätten unter ihm «kein gutes Leben». Die Schwächung Russlands nach dem Fall der Mauer sei einer der Gründe für den Beginn der militärischen Sonderoperation gewesen.
Russlands Präsident Wladimir Putin habe das Land «auf marktwirtschaftliche Gleise» geführt und sei bestrebt gewesen, es wieder zu einer Großmacht zu machen. Doch unter seiner Führung hätten die Russen «kein gutes Leben», erklärt Angela Merkel, die ehemalige Bundeskanzlerin Deutschlands im britischen Podcast «The Rest Is Politics». Ihre Worte zitiert The Independent wie folgt:
«Putin ist derjenige, der aus der Sicht der Russen als Präsident das Land aus dem Chaos, der Dominanz der Oligarchen und der Tatsache, dass die Wirtschaft zusammenbrach, herausführen sollte, indem er zu einer Marktwirtschaft überging. Er wollte Russland wieder zu einer Großmacht machen. Das war es, worauf er die ganze Zeit aus war.»
Merkel meinte, Putin habe wenig Ahnung von Wirtschaft und wirtschaftlichem Wohlstand. Deshalb habe er sehr schnell auf Methoden zurückgegriffen, die er als KGB-Agent gelernt habe, um diese Stärke wiederherzustellen: «Er konnte die Oligarchen, wenn man so will, zähmen. Sie durften arbeiten, aber nur unter ihm.» Allerdings hätten die Russen «unter Putin nicht gut gelebt», so Merkel. Daher wünsche sie ihnen «eine demokratische Zukunft in Wohlstand».
Sie erinnert sich: «Ich habe sehr oft darüber nachgedacht, wie wir die Demokratie nach Russland bringen können.» Gleichzeitig wirft sie Putin vor, den «Boom der Freiheit» nicht verstanden zu haben.
In dem Podcast schildert Merkel ein prägendes Gespräch mit dem russischen Präsidenten. Sie betont, dass sie eine Aussage Putins besonders ungewöhnlich fand. Er habe gesagt, für ihn sei der Zusammenbruch der Sowjetunion das schlimmste Ereignis des 20. Jahrhunderts gewesen. Sie habe daraufhin ganz offen geantwortet, dass sie dachte, dass dies der Nationalsozialismus und der Nazismus gewesen seien.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und die weiterreichenden Probleme von Putins aggressiver Außenpolitik sagte sie, dies sei auf seine Wut über den Zerfall der Sowjetunion und die Schwächung der Macht Russlands nach dem Fall der Berliner Mauer zurückzuführen.
Zuvor hatte Merkel in einem Interview mit dem Tagesspiegel klargestellt, dass sie die Pipeline Nord Stream 2 nicht gestoppt habe, um Putin am Wohlstand teilhaben zu lassen. Nur so habe sie in der neuen Ordnung nach dem Kalten Krieg mit einem Mann wie Putin, den manche Historiker als Revisionisten bezeichnen, im Gespräch bleiben können.