Die Rüstungsinitiative der Kommissionspräsidentin betrifft auch das Bundesheer, das allerdings ohnehin mehr Geld bekommt. An der Ukraine-Politik dürfte sich wenig ändern, an der Neutralität wird nicht gerüttelt.
Für alle drei war es eine Premiere auf internationalem Parkett: Am Donnerstag weilten sowohl Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) als auch Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) erstmals in ihrer neuen Rolle in Brüssel. Für alle drei im Rahmen des EU-Sondergipfels angereisten Neo-Koalitionäre standen dabei neben den Überlegungen über die weitere Unterstützung der Ukraine und die militärische Verteidigung Europas eine Frage im Zentrum: Welche Konsequenzen beinhaltet der von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte «Plan für ein sichereres und resilienteres Europa» für das neutrale Österreich im Speziellen?
Mögliche Folgen für Österreichs Militär
Einer Ausweitung von Verteidigungsausgaben steht Österreich generell positiv gegenüber, das hatte Kanzler Stocker schon am Vortag im Parlament festgehalten – was wenig überraschend ist: Die Dreierkoalition bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm zur «konsequenten Umsetzung» der unter Türkis-Grün eingeleiteten Aufstockung der finanziellen Mittel für das Bundesheer: Geplant sind Investitionen in Höhe von 17 Milliarden Euro bis zum Jahr 2032, quer durch die diversen Waffengattungen. Der Wehretat soll bis dahin auf zwei Prozent des BIP angehoben werden, was bisher als Richtwert für Nato-Mitglieder galt, zu denen fast alle EU-Länder zählen.
Der neuen US-Regierung unter Donald Trump schweben gar fünf Prozent gemessen an der Wirtschaftsleistung als neues Ziel innerhalb der Nato vor. Aus Sicht des neutralen Österreich gilt der Spielraum hier aber als begrenzt. Die anvisierten zwei Prozent sind mit dem neuen Rüstungswillen auf EU-Ebene aber zumindest noch wahrscheinlicher geworden. Dass die Investitionen schneller passieren oder gar noch höher ausfallen, zeichnet sich derzeit hingegen nicht ab. Im Verteidigungsministerium wollte man aber noch konkrete Beschlüsse auf EU-Ebene abwarten, wie es vorab auf STANDARD-Nachfrage hieß.
Sky Shield
Allenfalls könnte die gemeinsame europäische Beschaffung von Luftabwehrsystemen über Sky Shield etwas schneller vonstattengehen. Schließlich gehört die Luft- und Raketenabwehr zu jenen Bereichen, die die Kommissionschefin im Zusammenhang mit dem angedachten EU-Fonds als prioritär eingestuft hat. Was sich ebenfalls im Regierungsvorhaben findet: ein dezidiertes Bekenntnis zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP) der EU. Und eine eindeutige Positionierung für die von Russland angegriffene Ukraine.
Dass Österreich weiterhin klar aufseiten der Ukraine steht, sich also «militärisch, aber nicht politisch neutral» verhalte, wie es bisher stets hieß, hat auch die neue Regierung klargemacht. Bisher hat das konkret bedeutet: das Mittragen der EU-Sanktionen gegen Russland, finanzielle Unterstützung und «konstruktive Enthaltung» bei der Finanzierung von Waffenlieferungen sowie für die Transporte ebendieser durch österreichisches Staatsgebiet. Verfassungsrechtlich gebe es damit kein Problem, urteilt etwa der Völkerrechtsexperte Ralph Janik in einem Beitrag für die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik. Und: Völkerrechtlich stoße der Status als neutrales Land in der Staatengemeinschaft «nur auf wenig bis kein Interesse». Die hiesige Zurückhaltung bei militärischen Unterstützungsleistungen hat Janik zufolge «primär politische Gründe».
Neutralität
Die Grenzen, die bisher schon mit Hinweis auf die Neutralität gezogen wurden, dürften jedenfalls weiterhin gelten, das unterstrichen Kanzler und Vizekanzler am Donnerstag in Brüssel. «Wichtig ist das Bekenntnis: alles im Rahmen der Neutralität. Was sicher nicht geht, ist, direkt in Kriegshandlungen einzusteigen oder direkt Waffen zu liefern», sagte Babler.
Dass die Verteidigungsausgaben steigen, ist dabei ganz im Sinne des österreichischen Neutralitätsgesetzes, das ja zur Verteidigung des Landes und seiner Souveränität verpflichtet. Eine Diskussion über die Frage, ob die Neutralität in Zeiten derartiger weltpolitischer Umbrüche überhaupt gänzlich zu hinterfragen sei, hat Kanzler Stocker bereits an Tag eins nach seiner Angelobung abgewehrt: Die Debatte erübrige sich schon alleine deshalb, weil sich keine Mehrheit für eine Verfassungsänderung abzeichne, die für ein Aufgeben des neutralen Status notwendig ist.